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Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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in den Arsch schieben. Sie und Keyes hatten nicht vor, dort noch einmal anzutanzen. Aber wenn sie über den Highway abdüsten, dann nicht ohne die heute eingesammelte Kohle. Nach einer sechzehnstündigen Fahrt, schätzte sie, würden sie die Berge oben in Washington erreichen, nahe der kanadischen Grenze. Dort im Hinterland hatten einige souveräne Bürger ein eigenes Gelände. Sie und Keyes hatten vor, sich ihnen anzuschließen.
    Nach dem heutigen Tag war es Zeit für den Abschied aus dieser Kloakenstadt. Sie mussten abhauen, bevor die Brücken gesperrt oder gesprengt wurden. Mussten sich verschanzen und warten, solange das Feuer tobte.
    Sie atmete zischend ein. Es war wirklich so weit.

    Ein Junge presste die Nase an die Fensterscheibe. »Das ist die Air Force One.«
    Seine Mutter wandte nur flüchtig den Kopf. »Ach was, das ist nur eine normale Sieben-vier-sieben.«
    »An der Seite steht ›United States of America‹. Schau doch, Mom.«
    Seine Mutter blickte wieder hin, so wie alle anderen im Lokal. Ivorys Augen klebten am Himmel.
    Wie ein großer böser Vogel schwebte in der Ferne die blau-weiße 747 mit herabgelassenem Fahrwerk auf die Landebahn zu. Die Menschen eilten zu den Fenstern. Mehrere zückten Fotoapparate und Telefon, um Aufnahmen zu machen.
    »Voll cool«, meinte der Junge.
    Ivory glitt das Sandwich aus der Hand. Draußen zog Motorendröhnen vorbei, ein Todesschrei, doch nicht nah genug für eine Berührung. Noch nicht.
    Während sie durch die Tür stürmte, rief sie Keyes an. »Landung in dreißig Sekunden. Bin unterwegs, melde mich wieder, sobald ich die Autokolonne sehe.«
     
    Paine leerte sein Postfach. Ein dünner, krakelig beschrifteter Umschlag lag darin. Kein Absender. Keyes hatte die Anweisungen befolgt. So weit, so gut.
    Paine riss das Kuvert auf und schüttelte einen Gepäckschein des Hilton am Union Square heraus. Eines der belebtesten Hotels der Innenstadt - zwei Punkte für Keyes. Zwanzig Minuten später übergab er den Schein einem Angestellten des Hilton. Der Hotelpage brachte ihm eine graue Sporttasche. »Soll ich sie Ihnen zum Auto tragen?«

    »Nicht nötig.« Paine nahm sie entgegen. »Das geht so.«
    Kurz stellte er sie wieder ab und kramte zwei Dollar heraus. Er war dem Pagen bereits aufgefallen. Wenn er ihm jetzt kein Trinkgeld gab, war er sofort dieses Arschloch . Ein Trinkgeld sorgte dafür, dass man anonym blieb. Er hängte sich die Sporttasche über die Schulter und ging.
    Drei Blocks weiter betrat er ein anderes Kettenhotel. Viel Betrieb und gehoben, aber nicht so vornehm, dass die Angestellten gleich über jeden herfielen, der durch die Tür kam oder - so wie Paine - die Herrentoilette aufsuchte. Gut, keine Toilettenfrau. Später würde sich niemand an ihn erinnern.
    Er schloss sich in eine Kabine ein und öffnete die Sporttasche. In dem engen Raum war es schwierig, in die Blue-Eagle-Uniform zu schlüpfen, die ihm Keyes hinterlassen hatte. Nur mit Mühe konnte er den Reißverschluss der marineblauen Hose zuziehen. Unbeholfen fummelte er an den Hemdknöpfen herum und zog den Bauch ein. Die kurze Jacke war etwas weiter. Er schloss sie halb.
    Der Tag nahm allmählich Gestalt an. Und später wartete der krönende Abschluss.
    Die Lunte brannte schon.
    Die vor ihm liegende Aufgabe erfüllte ihn mit Freude und Ehrfurcht: eine Aufgabe, die all seine Ziele zusammenführte, die seine Überzeugungen bündelte und zugleich reichen Lohn versprach. Eine gerechte und schöne Mission.
    Aber sie ließ ihn auch erschauern. Wenn er scheiterte, war das sein Todesurteil.
    Die erbarmungslose Jagd auf ihn würde garantiert nicht mit einer Verhaftung und einem Prozess enden. Vielleicht würde das FBI versuchen, ihn einfach nur zu schnappen.
Doch sein Auftraggeber würde nicht zulassen, dass er lebend gefasst wurde. Sein Auftraggeber würde alles daransetzen, dass er getötet wurde, ehe er plaudern konnte. Wenn er es nicht schaffte, blieb ihm kein Ausweg mehr. Er konnte nicht mehr zurück. Er war zum Erfolg verdammt.
    Und etwas anderes als ein Erfolg kam auch gar nicht infrage.
    Heute war der Tag, an dem ein Zeichen gesetzt wurde. Wie immer hatte er vor, die Aufgabe indirekt anzupacken. Nur das Zeichen war nicht indirekt. Mit Blut und Feuer würde er seiner Botschaft Geltung verschaffen.
    Auch Tasia McFarland war eine Botschaft gewesen. Ihr Tod war ein Kollateralschaden gewesen. Der heutige Schaden hingegen würde tiefere Wunden reißen und weitere Kreise ziehen. Der heutige Schaden würde

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