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Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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wie ein Waldbrand.
    »Danke, dass Sie sich mit mir treffen«, sagte Jo.
    »Ich arbeite hier in der Gegend. Bin Anwaltsassistentin in der Kanzlei Waymire & Fong. Sie verwalten Tasias Nachlass und sind auch für Prozesse zuständig, falls Klagen dagegen erhoben werden.«

    Sie nahm wieder Platz. Ihr Körper wirkte zu massig für den winzigen Tisch. Sie hatte den eindringlichen Blick eines Grizzlybären.
    Nachdem sie Jo von oben bis unten gemustert hatte, zeigte sie sich wenig beeindruckt. »Eine Psychiaterin. Na ja, kein Wunder. Die haben doch nichts in der Hand.«
    »Die Polizei?«
    »Sie haben keine Ahnung, wie sie Tasias Tod einordnen sollen.«
    »Die Polizei sucht nach einer Erklärung, und deswegen bin ich hier.«
    Sichtlich skeptisch trommelte Vienna mit manikürten Nägeln auf den Tisch. »Hier ist es mir zu stickig. Gehen wir ein Stück.«
    Sie stand auf und schob sich wie ein Ozeandampfer durch die Menge. Jo hastete ihr nach. Draußen warf sich Vienna einen grellroten Schal um den Hals und marschierte Richtung Embarcadero Center. Der Schal wippte im Wind wie die Fahne eines Kreuzfahrers.
    »Sie brauchen ein Etikett? Die Medien haben Tasia so viele verpasst, dass man damit bei einer Konfettiparade die Straßen zukleistern könnte.« Sie setzte eine überdimensionierte Sonnenbrille auf, die die Kraft ihres Blicks kaum bändigen konnte.
    »Starlet. Mäuschen. Popteenie«, zählte sie auf. »Loser, Reality-Show-Teilnehmerin, Rauschgiftsüchtige.«
    Sie steuerte aufs Ufer zu. »Abgestürzter Promi. Karrierenutte. Präsidentenflittchen.« Sie warf Jo einen Seitenblick zu. »Manisch-depressiv.«
    »Wurde das offiziell diagnostiziert?«

    »Von einem anerkannten Psychiater. Bipolare Störung Typ eins, schneller Verlauf.«
    Viennas milchweiße Haut leuchtete im Sonnenschein. Um ihren Kopf wehte eine Aureole aus rotem Haar.
    »Sie wollen wissen, ob sie sich umgebracht hat? Gut möglich. Ihre schlimmen Depressionen waren tiefer als ein Bombenkrater.«
    »Wann hat sie die ersten Symptome der Störung gezeigt?«, fragte Jo.
    »Als Teenager. Anfang zwanzig wurde es deutlich. Während ihrer Ehe.«
    »Hat das mit zur Scheidung beigetragen?«
    Viennas Kiefer mahlte. »Da müssen sie schon ihn fragen.«
    Er war wohl der Mann, der bei der letzten Wahl siebenundsechzig Millionen Stimmen erhalten hatte, dessen Gesicht jede Titelseite im Zeitschriftenregal zierte und dessen Stimme rund um die Uhr alle zehn Minuten aus dem Fernseher dröhnte. Klar, ein Kinderspiel.
    »Sie reden also nicht mit Robert McFarland.«
    »Ich rede nicht mal über ihn. Und vor allem rede ich nicht offen über ihn. Das hat Tasia zur Genüge gemacht, wenn sie ihre Medikamente nicht genommen hat.«
    Jo nickte. Weiter vorn sah sie den Uhrturm der Fähranlage, die Bucht, Alcatraz.
    »Außerdem sind Sie gar nicht auf meine Meinung über Rob angewiesen. Da gibt es doch reichlich Stoff. Lesen Sie zum Beispiel den Abriss in Vanity Fair, der Tasia als zugedröhntes Pseudobunny beschreibt, das mit leuchtenden Augen seine Beute fixiert.«

    Jo hielt lieber den Mund. Wenn Vienna sprechen wollte, konnte ihr das nur recht sein.
    »Wahrscheinlich haben Sie schon die ganze Internetdatenbank mit Tasias Lieblings-Verschwörungstheorien durchstöbert.«
    »Ein paar Clips hab ich mir angeschaut.«
    »Fox News?«
    »Die Geschichte mit der Waffengesetzgebung. Sturmgewehre für alle. Der Heimatschutz, der Beruhigungsmittel ins Trinkwasser kippt«, antwortete Jo. »Die Tirade auf YouTube gegen die Notenbank.«
    Vienna schürzte die Lippen. »Klinische Paranoia, beängstigend und peinlich. Aber zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass sie damals ihre Medikamente nicht genommen hat. In den letzten Jahren hatte sie eine viel bessere Behandlung, und auch mit den Medikamenten hat es geklappt. Keine politischen Tiraden mehr.«
    An der Ecke blieben sie stehen. Mit bebenden Wedeln stemmten sich die Palmen gegen die Brise. Orange und rot zog eine der von der Stadt jüngst wiederbelebten elektrischen Straßenbahnen aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts vorbei. Als sie anhielt, erwartete Jo schon fast, dass Humphrey Bogart mit schräg sitzendem Filzhut aussteigen würde.
    »Tasias Schwester zu sein war wohl schwer …«
    »Acht Jahre Medizinstudium für so eine Erkenntnis?«
    »Wahrscheinlich waren Sie wütend, wollten sie andererseits aber auch beschützen.«
    Viennas Augen waren hinter der Monsterbrille verborgen, aber sie strahlte Hitze aus. Die Ampel wurde grün. Vienna stapfte

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