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Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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voran Richtung Wasser.

    »Und Sie haben sich bestimmt hilflos gefühlt«, fuhr Jo fort. »Als würde sie von einer Horde Furien fortgerissen, ohne dass Sie was dagegen tun konnten.«
    Vienna machte noch einige Schritte. Dann drehte sie sich zu Jo um und nahm die Brille ab. Langsam ließ sie den Atem entweichen. »Wie die Geier haben sich die Leute auf sie gestürzt. Und sie hat sie auch noch dazu ermuntert. Sie war so davon besessen, sich zu produzieren - so begabt, so auf ihr Publikum angewiesen, so … in Panik , dass die viele Aufmerksamkeit auf einmal verschwinden könnte. Sie hat sich praktisch auf den Boden gelegt und sie aufgefordert, ihr die Fetzen aus dem Fleisch zu reißen.«
    »Mein aufrichtiges Beileid«, sagte Jo.
    »Danke. Erzählen Sie mir bitte, dass es ein Unfall war.«
    »Deswegen rede ich mit Ihnen.«
    Der Wind blies Viennas Schal zum Himmel. »Natürlich.«
    »Wussten Sie, dass sie eine Schusswaffe besaß?«
    »Das hat mir immer Sorgen gemacht.«
    Jo konnte sich vorstellen, wie sich Vienna fühlte. Auf grausame Weise war die vollendete Tatsache eine Erleichterung. Die Befürchtung, dass ihrer Schwester etwas zustoßen könnte, diese Angst, mit der sie jahrelang gelebt hatte, hatte sich erfüllt, und dadurch war ein schrecklicher Druck von ihr abgefallen. Doch Viennas Trauer wurde dadurch nicht geringer. Nur die nagende Sorge, die sie nie verließ … hatte sie jetzt verlassen.
    »Hat sie je damit gedroht, sich zu erschießen?«
    »Nicht direkt. ›Was hat das alles für einen Sinn?‹, hat sie immer gesagt. ›Wem würde ich schon fehlen? Würden mich
die Leute behandeln wie Kurt Cobain, wenn ich mich für seinen Abgang entscheiden würde?‹«
    »Das muss furchtbar gewesen sein für Sie. Hat sie je einen Selbstmordversuch unternommen?«
    Vienna öffnete die Lippen, die Worte lagen ihr offenbar auf der Zunge. Bissige Worte. Dann bremste sie sich. »Vielleicht kann er Ihnen das verraten. Oder zumindest ihre Krankenakte aus dem Armeehospital beschaffen.«
    Na prima. Eine innerfamiliäre Fehde mit einem Typen, der rund um die Uhr vom Geheimdienst abgeschirmt wurde.
    »Irgendwelche Versuche, von denen Sie persönlich wissen?«
    »Halbherzig, vor zwölf Jahren. Southern Comfort und ein Dutzend Ibuprofen.«
    Vienna spähte hinaus auf die Bucht. Mit einem lindgrünen Segel wie eine Haifischflosse glitt ein Windsurfer über die Schaumkronen.
    »Und sie hat sich ausgemalt, wie ein Feuerwerkskörper am vierten Juli zu verglühen«, setzte Vienna hinzu. »Wussten Sie, dass Sie an einer Autobiografie gearbeitet hat?«
    »Nein. Hat sie Notizen hinterlassen? Ein Konzept?«
    »Notizen, Fotos, viele Sprachaufnahmen. Sie hat es nicht selbst geschrieben.«
    »Ein Ghostwriter?«
    »Ein Mann namens Ace Chennault.«
    Jo zückte ihr Notizbuch, um es einzutragen. »Wissen Sie, wie ich ihn erreichen kann?«
    »Wird nicht schwer sein. Er ist Musikjournalist und war die letzten Monate mit ihr auf Tour, um Material zusammenzutragen.« Kurz blitzte ein Lächeln auf. »Zum einen die Familie, zum anderen das Gefolge.«

    »Wann haben Sie zum letzten Mal mit Ihrer Schwester gesprochen?«
    »Gestern Morgen. Sie hat sich telefonisch erkundigt, ob ich die Eintrittskarten bekommen habe.«
    Jo hörte auf zu schreiben. »Tut mir leid, mir hätte klar sein müssen, dass Sie bei dem Konzert waren.«
    »Ja.« In der kurzen Silbe lag reiner Schmerz.
    »Wie hat sie sich angehört?«
    »Ausgelassen, aber auch aufgewühlt. Irgendwie …« Sie bewegte die Hand hin und her. Comme ci, comme ça. »Beunruhigt. Überschäumend wie Champagner.«
    »Wie lang klang sie schon so?«
    »Ein paar Wochen. Aber der Umschwung von Manie zu Depression kam bei ihr oft ganz plötzlich.«
    Schnelle Zyklen deuteten auf eine Verschlimmerung der psychischen Verfassung. Und sie ließen darauf schließen, dass die bipolare Störung nicht unter Kontrolle war. Verantwortlich dafür war möglicherweise die jahrelang fortschreitende Krankheit, aber es konnte auch an einer schlechten, sporadischen oder völlig fehlenden Medikation liegen.
    »Hatte sie je gemischte Episoden?«, fragte Jo.
    Vienna runzelte die Stirn. »Meines Wissens nicht.«
    »Wie war sie, wenn sie hypomanisch war?«
    »Wie eine Saturnrakete. Volle Kraft voraus in den Himmel. Unglaublich kreativ. Hat die ganze Nacht Songs komponiert und aufgenommen. Fröhlich und kontaktfreudig.«
    »Und bei einer ausgewachsenen Manie?«
    »Warpantrieb. Kreischend ins Weltall. Völlig durchgeknallt.«
    »Hat sie

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