Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
die Idee kam, ihr den Hals umzudrehen. Fürs Wochenende hatte sie Cargohosen, zum Bergsteigen Sweatshirts und Shorts und für Gerichtstermine einen schwarzen Anzug. Wenn sie topmodisch erscheinen wollte, zog sie ihre Paisley-Docs an.
Die Vorstellung, dass Tasia McFarland sündteure Designerklamotten behandelte wie Putzlumpen zum Aufwischen, ließ sie zusammenfahren. Entweder hatte sich Tasia sehr an die Privilegien des Wohlstands gewöhnt, oder sie war so deprimiert, dass sie nicht einmal ein Kleid von … sie spähte auf das Etikett … Dolce & Gabbana vom Boden aufheben konnte.
Sie schoss weitere Fotos. Dann wandte sie sich dem Bett zu. Auf beiden Seiten waren die Decken heruntergeschlagen. Zwei Kissen zeigten deutliche Abdrücke. Ein Paar Männerstiefel stand davor. Gut eingetragene, rote Cowboystiefel.
Auf einem Polstersessel fand sie unter einem Stapel gazeartiger Blusen ein Männerhemd, das nach Aftershave roch. Sie inspizierte den Kragen. Ein Reinigungsschild mit den Initialen SL. Am Sessel lehnte eine Gitarre.
Anscheinend hatte Searle Lecroix Tasia kurz vor dem Aufbruch zu dem verhängnisvollen Konzert ein Ständchen gebracht.
Als Nächstes nahm Jo sich das Bad vor. Ein Fenster war offen. Auf der Ablage stand ein halbes Dutzend Arzneifläschchen.
Tasias pharmazeutische Vorräte waren bunt wie Konfetti. Beruhigungsmittel. Vicodin und Tylenol mit Kodein. Schlaftabletten. Diätpillen, oder besser gesagt Amphetamine. Prozac.
Lithium. Laut Aufschrift war das Rezept vor zwei Monaten eingelöst worden, aber das Fläschchen war noch voll.
Sie hatte ihre Medikamente nicht genommen.
Jo reihte die Sachen auf und fotografierte sie so, dass sie die Etiketten und die Namen der verschreibenden Ärzte ins Bild bekam. Natürlich würde der Gerichtsmediziner im Rahmen von Tasias toxikologischer Untersuchung auch diese Medikamente überprüfen. Aber Jo wollte sich möglichst schnell einen Überblick verschaffen.
Durch das offene Fenster pfiff der Wind. Sie hörte ein Auto am Haus vorbeifahren. Männerstimmen drangen zu ihr herauf.
Hinter ihr knarrte der Boden. Sie drehte sich um.
Das Schlafzimmer sah noch genauso aus wie vorhin. Wieder knackte es, diesmal im Gang dahinter.
Chennault.
Verdammt, der neugierige Mistkerl hatte sich ins Haus geschlichen. Sie steuerte zurück ins Schlafzimmer. »Entschuldigen Sie bitte.«
Erneut ein Knarren. Sie trat hinaus in den Gang. Keine Menschenseele auf dem Treppenabsatz.
»Mr. Chennault?«
Sie war sicher, dass sie es sich nicht eingebildet hatte. Dann hörte sie von draußen wieder die Männerstimmen. Sie blickte durch das Panoramafenster hinaus auf die Straße, und ein Prickeln lief über ihre Arme.
Chennault lehnte an seinem Auto und unterhielt sich mit dem Hausverwalter.
Langsam drehte sie sich um. Vor einem Gangschrank stand eine Gestalt in Kampfanzug und Balaklava.
Eins fünfundsiebzig, weit über hundert Kilo, schwer atmend. Jos Blick fiel auf die Hände. Gartenhandschuhe.
Sie floh zur Treppe.
Sie rannte zwei Stufen, drei, und hörte ihn hinter sich. Schwer polterten seine Füße über den Teppich. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang sie weiter.
Eine Hand packte sie am Haar. Ihr Kopf wurde zurückgerissen.
Sie holte mit dem Ellbogen aus und traf eine wabbelige Körperpartie. Sie hörte seinen keuchenden Atem, spürte seine massige Präsenz. Die Hand verkrallte sich in ihr Haar. Sie verlor das Gleichgewicht, verfehlte eine Stufe und stürzte.
Im letzten Moment warf sie die Arme nach vorn und prallte hart mit angezogenen Knien auf. Ächzend geriet auch der Maskierte ins Straucheln. Gemeinsam rutschten sie die Treppe hinunter und krachten auf den Holzboden.
Er landete auf ihr. Sein Gewicht und sein Geruch waren erdrückend. Sie wand sich, um die Hände freizubekommen. Seine Haut über dem Kragen war weich und rot. Sie bohrte ihm die Fingernägel in den Hals.
Schwerfällig rappelte er sich auf und schlitterte gegen die Wand, als er ins Wohnzimmer stürmte. Er zerrte die Glastür zur Terrasse auf.
Hastig sprang sie auf und stolperte zur Eingangstür. Sie schaute über die Schulter und erkannte, dass der Einbrecher durch den Garten floh.
Sie warf die Tür auf. »Hilfe!«
Erschrocken fuhren Chennault und der Hausverwalter herum und eilten zu ihr.
Jo zerrte ihr Telefon heraus und wählte mit zitternden Fingern 911. Sie deutete zur Rückseite des Hauses. »Ein Mann in Balaklava. Da ist er raus, hoch zu den Sträuchern.«
Verwirrt gaffte der
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