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Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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Bär, der sich an Goldlöckchen heranschleicht, bis vor ihr Schlafzimmer, ihr Fantasiereich, ihr Zentrum …
    Überall lagen ihre Kleider herum: auf dem Bett, dem Nachttisch, dem Stuhl, dem Boden - als hätte sie einen ausschweifenden Striptease aufgeführt. Beim Stuhl eine Gitarre. Stiefel am Bett.
    Unwillkürlich stöhnte Petty auf, ein scharfer Schmerzenslaut.
    Draußen schlug eine Tür. Petty taumelte zum Fenster und spähte durch die Jalousie. Da unten war jemand. Hastig floh Petty aus dem Schlafzimmer.

KAPITEL 14
    Tasia McFarland war nicht nur Sängerin gewesen. Sie hatte schon seit ihrer Kindheit komponiert. In ihrem Kopf schwirrten die Melodien, wurden lauter und drängender, bis sie nachts aufwachte und sie auf dem Klavier spielen musste. Wie Funken schien die Musik aus ihren Händen zu springen, und sie spielte, bis die Finger brannten. Als sie die Highschool abschloss, hatte sie bereits zweihundert Songs und eine voll orchestrierte Rockkantate geschrieben.
    Auf gewundenen Straßen fuhr Jo durch den Stadtteil Twin Peaks, in dem Tasia und Vienna Hicks aufgewachsen waren. Nach allen Seiten hin klebten Häuser und Wohnungen auf schmalen Graten und waren wie Würfel in Täler gequetscht. Die Aussicht war weltberühmt. In der Bucht glitzerte das Wasser. Die Golden Gate Bridge verband das Zentrum mit der rauen Marin-Landspitze im Norden. Am westlichen Stadtrand rollte kalt und dicht der Nebel an den Strand.
    Je höher es hinaufging, desto steiler und ländlicher wurde es. In den Schluchten wuchsen Eukalyptusbäume und erfüllten die Tiefe mit Schatten. Geschleckte Rasen säumten die
gewundenen Straßen. Adrette Häuschen trumpften mit gepflegten Gärten und exquisiten Föhren auf. Sie folgte dem Weg vorbei am Sutro Tower. Fast dreihundert Meter ragte der Sendeturm über den Gipfel hinaus. Selbst beim stärksten Nebel blieben die drei Spitzen des Sutro Tower immer sichtbar. Der Mast war wie ein Science-Fiction-Monster, das nur auf ein Zeichen wartete, um zu erwachen und durch die Stadt zu toben. So hatte es sich Jo zumindest vorgestellt, als sie neun war.
    Tasias Haus war eine Villa im italienischen Stil, die aus ihrer Hanglage auf das Bankenviertel und die Bucht hinabblickte. Als Jo aus dem Tacoma kletterte, spürte sie den beißenden Wind an den Wangen. Die Einfahrt war so steil, dass sie fast Steigeisen gebraucht hätte.
    Hinter ihr auf der Straße knallte eine Autotür. »Moment, bitte.«
    Jo drehte sich um und bemerkte einen näher kommenden Mann in einem T-Shirt mit der Aufschrift Bad Dogs and Bullets . »Sind Sie der Hausverwalter?«
    Er schüttelte den Kopf. Er war Mitte dreißig, hatte ein unschuldiges Gesicht und jungenhaftes blondes Haar. Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, stapfte er die Steigung hinauf, doch die lässige Attitüde konnte nicht über den geröteten Hals hinwegtäuschen. Er war anscheinend außer Form.
    »Sind Sie die Psychiaterin, von der ich gehört habe?«
    »Ich bin Dr. Beckett, ja. Und Sie?«
    Er blieb vor ihr stehen. »Ace Chennault.«
    »Tasias Autobiograf.«
    »Die Autorin ist verschwunden, aber der Geist ist noch
da.« Sein Scherz wirkte gezwungen. Mit ein wenig Verspätung streckte er die Hand aus.
    Jo schüttelte sie. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Ich …«
    »Sie machen eine psychologische Autopsie, ich weiß. So was spricht sich rum.«
    »Den Eindruck hab ich auch.«
    »Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.«
    Mit dem treuherzigen Lächeln und seinen vollen Wangen schaffte er es bestimmt spielend, sanfte Großmütter und aufstrebende Rocksänger zu Interviews zu überreden. In seiner Stimme lag etwas Vergnügtes. Aber Jo witterte einen geübten Kunstgriff hinter den traurigen Clownsaugen. Ein Journalist hatte ihr einmal verraten, dass es in seinem Beruf entscheidend war, sofort einen Kontakt zu seinen Interviewpartnern herzustellen. Um sein Gegenüber zu wirklich pikanten Aussagen zu bewegen, musste er eine Illusion von Vertrautheit erzeugen und ihm einen Tag oder eine Stunde lang den Eindruck vermitteln, dass er sein bester Freund war.
    Und Ace Chennault war ein Journalist, der gerade seine wichtigste Informationsquelle verloren hatte - ganz zu schweigen von der Einnahmequelle.
    »Können wir für heute noch was ausmachen?«, erkundigte sich Jo.
    »Ich dachte da an eine Art Kuhhandel. Sie wollen meine Notizen durchstöbern und Tasias Stream-of-Consciousness-Aufnahmen anhören?« Erneut blitzte ein Lächeln auf. »Von mir aus gern.

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