Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
Personenschutz durch den Geheimdienst auf die engsten Angehörigen des Präsidenten beschränkt. Wenn …«
»Wenn Tasia keine engste Angehörige war, wer dann?«, konterte Wilson.
Gabe brachte den Motor auf Touren. Durch die Windschutzscheibe bemerkte sie seine grimmige Miene.
»Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich werde abgeholt«, erklärte Jo. »Sobald mein Bericht fertig ist, wird das SFPD eine Erklärung abgeben.«
Wie ein Hase schlug sie einen Haken um den Pulk und stürmte zum 4Runner.
Wilson blieb ihr auf den Fersen. »Warum wollen Sie den Menschen die Wahrheit vorenthalten?«
Nicht provozieren lassen. »Ich suche nach der Wahrheit.«
»Was kann die Psychiatrie zur Klärung dieses Falls beisteuern außer schwammigen Gefühlen?«
Jo packte den Türgriff und umklammerte ihn fest, um nicht in Versuchung zu geraten, der Reporterin eine zu kleben. Als sie auf den Beifahrersitz rutschte, gelang es ihr durch schiere Willenskraft, freundlich zu lächeln. Wie eine Teilnehmerin
am Miss-America-Wettbewerb. In deren Hintern sich ein Pitbull verbissen hatte.
Wilson schwafelte von Subjektivität und Ausflüchten. Die unterschwellige Botschaft war unmissverständlich: Was hast du zu verbergen? Bis du keine Patriotin?
Durch zusammengebissene Zähne knurrte sie. »Fahr.«
Gabe legte den Gang ein. »Mitten rein?«
Jo deutete vage die Straße hinunter. Er startete.
Sie schnallte sich an und zwang sich, nicht zurückzublicken. Wenn sie es getan hätte, hätte sie vielleicht Heugabeln und Fackeln gesehen.
»Danke für die Rettung.«
»Wohin?«
»Irgendwohin.« Sie holte ihr Telefon heraus. »Nur nicht auf die Lombard Street. Da können sie uns auf den vielen Kurven beobachten.«
Sie rief Vienna Hicks an, um sie zu warnen, dass nationale Schwergewichte zur herumstreunenden Medienmeute gestoßen waren. Viennas Lachen war zugleich selbstbewusst und melancholisch. »Mit denen rede ich nicht. Der Chef der Kanzlei hat eine Erklärung im Namen der Familie herausgegeben. Das ist alles. Keine Tränen, kein Klatsch, keine Wutausbrüche. Viel Glück, Jo. Und willkommen im Fleischwolf.«
Gabe raste den Berg hinauf, vorbei an viktorianischen Wohnhäusern mit blau-goldenen Giebeln. Sein Gesichtsausdruck hinter der Sonnenbrille blieb ernst.
»Gutes Timing, Kumpel«, sagte sie.
»War zufällig in der Nähe.«
»Und wolltest kurz vorbeischauen?«
Er hielt vor einem Stoppschild. Obwohl kein Verkehr kam, fuhr er nicht weiter. Mit leerem Blick starrte er die Querstraße hinauf.
»Warst du bei Dave Rabin im Krankenhaus?«, fragte sie.
»In die Intensivstation dürfen nur Verwandte. Ich war nicht bei ihm, hab nur mit seiner Frau geredet.«
Jo legte ihm die Hand aufs Knie.
»Keine Veränderung.« Die Sonne malte einen Streifen auf sein Gesicht. Er senkte die Schultern und riss sich fast körperlich aus seiner Erstarrung. Er fuhr los. »Er muss aufwachen.«
Und zwar bald. Je länger Rabin bewusstlos blieb, desto unwahrscheinlicher war es, dass er sich wieder erholte. Sie ließ die Hand auf seinem Knie.
Er umklammerte das Steuerrad. »Was ist?«
»Das wollte ich auch gerade fragen.«
Häuser surrten vorbei, als sie einen steilen Hang hinunterrollten. Er nahm die Sonnenbrille ab und kniff sich in den Nasenrücken. Die Lachfalten um seine Augen wirkten müde. Offenbar konnte er sich kaum zum Sprechen überwinden.
»Was ist denn?«
»Seit einer Stunde fahre ich herum. Ich …«
Er wollte sie nicht ansehen.
Sie rätselte, doch ihr fiel nicht ein, was es sein könnte. »Sophie?«
»Hat sich schon wieder etwas erholt. War heute nicht in der Schule, aber es geht ihr besser. Meine Schwester ist gekommen, um auf sie aufzupassen, damit ich ins Krankenhaus fahren konnte.«
»Gabe, irgendwas ist doch mit dir.«
Er starrte geradeaus. »Ich habe heute neue Befehle bekommen.«
Sie brauchte eine Sekunde. »Vom Militär?«
»In zweiundsiebzig Stunden trete ich meinen Dienst an.«
Mit einem Schlag wurde die Sonne heiß und schmerzhaft hell. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Freitagmorgen Flug nach New York, nächste Woche weiter nach Afghanistan.«
Die Sommersonne gerann zu einem gelben Licht, das wie ein Sandsturm durch den Wagen fegte.
»Nächste Woche. Nächste Woche ? Nach Afghanistan?«
»Kein Witz.«
Sie blinzelte angestrengt. Mein Gott, aktiver Militärdienst in einem Kriegsgebiet. Und Rettungsspringer hatten kein rotes Kreuz am Ärmel, weil sie auch in die Kampfhandlungen eingriffen, um Kameraden zu bergen. Das gelbe
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