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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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selbst hatte sich nur wenig verändert,
denn der Flughafen war in der Vergangenheit weder den Wilden noch
der Wildnis anheim gefallen. Zu Zeiten des Grünen Tods war
er eine Drehscheibe für Erdflüchtlinge und deren
stetigen Nachschub gewesen, und selbst während des
Jahrhunderts, da der Westen zusammengebrochen war, vom
erdgestützten Ableger der Weltraumbewegung gewartet worden;
man hatte die Grenzen geschützt, von außerhalb
Personal herangeschafft und inmitten der Ödnis eine Garnison
unterhalten.
    Es ist hier noch genau so wie auf den alten Fotos, dachte ich,
als wir zur Flughafenhalle hinunterstiegen: zum Volkspalast, der
schon bei Eröffnung gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts
dem Retrostil zuzurechnen gewesen war, und zu den neueren
Terminalgebäuden und Werkstätten aus dem
einundzwanzigsten Jahrhundert, die unter den hohen Masten auf der
Hügelkuppe verteilt waren. Der einzige Hinweis auf moderne
Technik war der Fahrstuhl, mit dem wir hinunterfuhren, und das
darauf folgende Laufband, das uns zum Ausgang trug. Der nahtlos
fließende Plastikbelag – keine Nanotech, einfach
bloß clever –, hätte die Erbauer dieser Anlage
in Erstaunen versetzt.
    Wir gingen zum Volkspalast hinüber, der mittlerweile als
Gästehaus und Wohnheim für die Menschen dient, die auf
dem Raumhafen arbeiten. Ich blickte zur Sonne und sah auf die
Uhr.
    »Sollen wir hier übernachten?«, schlug ich
vor. »Und morgen Weiterreisen?«
    Suze nickte. »Ja, es ist zu spät, um gleich
weiterzureisen«, sagte sie. »Ich weiß zwar, wo
man in London übernachten kann, aber das dient eher der
Recherche.« Am schwarzen Brett stellten wir zu unserem
Erstaunen fest, dass es viele freie Zimmer gab; die meisten
anderen Touristen fanden es offenbar reizvoller und
abenteuerlicher, in einem Londoner Gasthof oder einer
Jagdhütte abzusteigen. Wir wählten ein Doppelzimmer im
Westflügel und brachten das Gepäck nach oben. Im Zimmer
gab es einen kleinen Herd, Kaffee und andere Vorräte,
außerdem eine Einladung zu einem Abendessen und/oder
Freizeitaktivitäten. Während Suze duschte, befahl ich
dem Anzug, das Zimmer unauffällig zu überprüfen.
Abgesehen von den zu erwartenden Organismen und den üblichen
Reinigungsmaschinen blieb die Suche ergebnislos. Anderes
Ungeziefer war nicht vorhanden – nicht, dass ich damit
gerechnet hätte, doch das war für mich ebenso Routine
wie die Überprüfung des Luftschiffs fürs
Wartungspersonal.
    Suze trat gerade in dem Moment aus der Dusche, als der
Anzugagent Meldung erstattete.
    »Oh!«, sagte sie. »Eine zahme Maus! Wie
süß!«
    »Grrr!«, machte der Anzug, doch Suze hörte
bestimmt bloß ein Quieken. Ich duschte meinerseits, und als
ich fertig war, hatte Suze Kaffee gemacht und sich zum Essen
angekleidet.
    »Danke«, sagte ich, als ich den Kaffee
entgegennahm. »Hübsches Kleid.«
    Suze blickte selbstgefällig darauf hinunter.
»Fortuny-Faltenrock nennt man das«, meinte sie.
»Man kann ihn einfach in den Rucksack stopfen, und wenn man
ihn ausschüttelt, ist er wieder wie frisch
gebügelt.«
    »Ah«, machte ich. »Ich muss dir etwas
zeigen.«
    Ich zog meine Sachen an, die von der Reise noch durchschwitzt
und zerknittert waren. Sie alle waren Teil des Anzugs – der
Rest verteilte sich auf die Maus und den Rucksack mitsamt Inhalt
–, doch es war noch genug übrig für den
Aschenputtel-Trick, für imitierten Tüll und Spitze,
hergestellt anhand der archivierten Erinnerung an historischen
Firlefanz. Ich wirbelte um die eigene Achse und grinste die
staunende Suze an.
    »Das ist ein Raumanzug aus intelligenter Materie«,
erklärte ich, setzte mich und klopfte auf die bauschigen
Röcke. Suze machte noch immer große Augen.
    »Du bist aus dem Weltraum?«
    »Ja«, antwortete ich. »Genau genommen von
der Cassini-Division.«
    »Wow!« Suze’ Erstaunen machte
ehrfürchtiger und ein wenig schuldbewusster Erregung Platz,
was ich nicht zum ersten Mal erlebte. In einer
Überflussgesellschaft, die in Frieden und Sicherheit lebte,
symbolisierte die Division den gefährlichen Reiz der Gefahr,
die Anziehungskraft der Gewalt. Manche verachteten und
fürchteten sie aus dem gleichen Grund, andere verehrten sie
– bisweilen ohne es sich selbst einzugestehen. Suze
gehörte offenbar auch zu dieser Gruppe.
    »Das ist der Grund, weshalb ich mit Malley sprechen
will«, sagte ich.
    »Über das Wurmloch?« Kluges Kind.
    »Ja. Wir wollen hindurchfliegen. Bis

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