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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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brauchte sie noch länger, um mir zu
erklären, weshalb man auf den Preis noch einen Preis
aufschlug, der eigentlich keiner war; eine Summe, die nie jemand
verlangte, deren Unterschlagung aber ungern gesehen wurde. Wir
schlenderten zu den Ständen mit den Büchern und
Elektrogeräten hinüber. Der Joint, der Kaffee und das
Essen hatten meine Gehirnchemie in der gewünschten Weise
verändert. Jetzt konnte ich mich besser auf die Umgebung
konzentrieren, doch das Reden überließ ich immer noch
Suze.
    Sie durchstöberte die Buchstände,
Geräteläden und Nanotech-Tanks, tätigte hin und
wieder einen kleinen Einkauf und stellte scheinbar
müßige Fragen nach Malley. Manchmal nannte sie seinen
vollen Namen, dann wieder überlegte sie laut, ob wohl jemand
von ›dem Wissenschaftler‹ oder dem ›alten
Doktor‹ gehört habe. Die meisten Verkäufer
kannten sie vom Sehen und feilschten mit ihr weniger
hartnäckig als mit den anderen Unionstouristen. Am letzten
Stand blätterte sie in einem mittlerweile überholten
Lehrbuch des Physik, das sie aus einer der Plastikkisten auf dem
Boden vor dem Büchertisch hervorgezogen hatte.
    »Ach, wenn mir das doch jemand erklären
könnte«, meinte sie und reichte das Buch dem
Verkäufer. Er war selbst für einen NiKo rundlich, hatte
rosige Haut und trug einen seltsamen bunten Flickenmantel, in dem
er aussah wie ein pummeliger Zauberer. Er warf einen Blick aufs
Buch; seine Augen wurden schmal, und sein Griff wurde fester. Er
zog das Buch an sich.
    »Tut mir Leid, Miss«, sagte er. »Das steht
nicht zum Verkauf.«
    Suze machte große Augen, ganz harmlose Touristin.
    »Ach? Das ist aber schade. Warum denn nicht?«
    »Ich soll alles von diesem Wheeler für den
Professor aufbewahren.«
    »Schon gut«, sagte Suze. »Sie meinen
Professor Malley, nicht wahr?« Sie tat so, als habe sie die
Angelegenheit bereits vergessen, beugte sich vor und tippte auf
eine Ausgabe von Workshop Nanotech (Loompanics, 2052).
»He, sieh dir das mal an!« Sie reichte es mir, dann
wandte sie sich mit erhobenen Brauen wieder dem Verkäufer
zu.
    »Ja, Malley«, meinte er. »Hin und wieder
kommt er vorbei. Hab ihn jetzt aber schon seit Wochen nicht mehr
gesehn.«
    »Der leitet doch noch immer die Schule in Ealing, nicht
wahr?«
    »Stimmt«, sagte der Verkäufer. Sein Akzent
vermischte sich mit der hiesigen Sprechweise, bloß war
seine Diktion besser verständlich, jedenfalls für mich.
Suze warf einen Blick auf die Preisangabe auf der Buchinnenseite
und reichte dem Mann ohne zu feilschen eine Goldmünze. Er
fasste dies offenbar nicht bloß als Bezahlung für das
Buch auf (allmählich begreife ich, wie diese Leute denken,
dachte ich selbstgefällig) und fuhr fort:
    »Komisch, dass Sie sich nach ihm erkundigen.« Er
kratzte sich die verstoppelte Kinnlade. »Gestern haben
schon zwei Typen wie Sie« – er hüstelte –,
»ich meine, Unionsangehörige nach ihm
gefragt.«
    Das überraschte mich.
    »Ja, er ist eigentlich ziemlich berühmt«,
erwiderte Suze leichthin. »Da wollen bestimmt viele mit ihm
sprechen. Ich frag mich, ob ich jemanden davon kenne?«
    Er zuckte die Achseln. »Schwer zu sagen, Euch
auseinander zu halten – ich meine, das waren zwei Kerle,
etwa in Ihrem Alter – bezogen auf Ihr wahres Alter –
und ungefähr so groß wie Sie.« Er zeigte auf
mich. »Groß, dunkelhaarig, aber nicht…
äh, ich meine, Sie sahen mehr indianermäßig aus
als Sie beide, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ist Ihnen an ihren Bewegungen etwas
aufgefallen?«, fragte ich behutsam.
    Plötzlich strahlte er. »Ja! Genau! Irgendwas an
denen kam mir seltsam vor. Konnte bloß nicht sagen, was.
Aber der eine hat sich irgendwie so komisch an der Tischkante
festgehalten, so wie Sie jetzt…« – ich
ließ los und richtete mich verlegen auf –,
»außerdem haben sie ständig Bücher fallen
lassen. Bücher, die sie sich angeschaut hatten.« Er
zog einen Stift hinter dem Ohr hervor und führte die
Pantomime eines Mannes auf, der den Stift geistesabwesend einen
halben Meter über dem Tisch fallen ließ und sich dann
wunderte, dass er aus seiner Hand verschwunden war. Wir mussten
alle drei lachen.
    »Ich glaube, jetzt weiß ich Bescheid.« Ich
lächelte. »Wann waren Sie gleich noch da?«
    »Muss am Sonntag gewesen sein«, antwortete der
Mann. »Zum Wochenende. Heute ist Wochenmitte.«
    Heute war – ich musste einen Moment lang überlegen
– Mittwoch. Ich nickte

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