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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Wiedersehen, Ellen«, sagen sie, »auf Wiedersehen. Bis
in zehntausend Jahren.«
    Aufgebracht wende ich mich zu dem Burschen um, doch er hat
sich bereits von einem Fiesling in ein Monstrum verwandelt, in
eine Art Pantoffeltierchen, besetzt mit schwirrenden fraktalen
Wimpern und einem gepixelten hellen Fleck, der zu einem Gesicht
wird – zu meinem Gesicht.
    »Ich mag deinen Körper«, sagt er.
    »In deinen Träumen!«, schreie ich ihn an.
»In deinen Träumen!«
    Und ich wache auf.
    Die Decke schmiegt sich an mich, das Kissen fängt meine
Tränen auf.
    »Schhhh«, flüstert sie mir ins Ohr.
»Alles wird gut.«
    *
    Am nächsten Morgen stand ich gegen elf Uhr Bordzeit auf
(die zufällig mit der GMT übereinstimmte, was es
für uns Neuankömmlinge leichter machte) und begab mich
zum Mitteldeck. Zu meiner Beschämung traf ich als Letzte
ein, und die anderen hatten zur Feier des Tages schicke,
maskuline Uniformen angelegt. Andrea und Boris unterhielten Suze
und Malley mit einer Demonstration des aktiven
Verteidigungssystems, das zwar automatisiert war, aber auch dazu
benutzt werden konnte, mit (überwiegend winzigen, aber
gleichwohl schnellen) Meteoriten rasante Ballerspiele zu
veranstalten. Die anderen amüsierten sich auf weniger
produktive Weise.
    Ich wünschte brummig einen guten Morgen und verspeiste
mein Frühstück allein in der Kantine und in
nachdenklicher Stimmung, bis ich die Nachwirkungen meines Traums
mit starkem Kaffee verscheucht hatte. Den dritten Becher Kaffee
nahm ich mit nach oben und setzte mich auf eine Liege.
    »Okay, Genossen«, sagte ich. »Die Beratung
ist eröffnet. Yeng, möchtest du dich setzen?«
    Sie nickte, schob Schutzbrille und Nanotech-Tank zur Seite und
klatschte in die Hände. »Na los, Leute! Schaltet die
Zielcomputer wieder ein und kommt her!«
    Andrea, Boris, Malley und Suze rissen sich von der manuellen
Zielerfassung los und setzten sich auf die Enden zweier Liegen.
Suze lächelte gequält, Malley eher großspurig.
Die nanochirurgischen Medikamente hatten ihre Arbeit zwar noch
nicht abgeschlossen, dennoch hatte sich sein Aussehen über
Nacht verändert: er hielt sich gerader als zuvor, seine
Gesichtshaut hatte sich geglättet, und die
Augenfältchen waren verschwunden.
    »Ihre Pillen haben meinen Reflexen jedenfalls gut
getan«, meinte er. Boris breitete die Arme aus und
vollführte eine Schaukelbewegung: »Wenn man bedenkt,
wo Sie angefangen haben…« Die beiden Männer
lachten; hoffentlich der Anfang einer Freundschaft.
    »Suze, Sam«, setzte ich an, »die anderen
wissen bereits, was ich euch jetzt sagen werde, aber jeder kennt
sich auf anderem Gebiet aus, daher…«
    Ich tippte auf den tief angebrachten Sitzkontrollen herum, hob
die Deckeninstrumente an und senkte einen Galgen ab, an dem ein
holographischer Projektor befestigt war. Aus meinen Handschuhen
schlängelten sich Fortsätze und verbanden sich mit der
Schnittstelle des Projektors. Die elektrische Beleuchtung
schaltete sich aus, und ich rief ein fußballgroßes,
schwach leuchtendes Bild des Jupiter auf, das ich im von
draußen einfallenden Licht der gebrochenen, vielfach
verzerrten Sterne mit erhöhter Geschwindigkeit rotieren
ließ.
    »Eine kurze Geschichte des Jupiter-Systems«, sagte
ich. »Fangen wir mit der Situation an, wie sie war, bevor
die Außenweltler das Projekt Jupiter auf den Weg
brachten.« Die vier galileischen Monde umkreisten den
Planeten, der Große Rote Fleck rotierte zusammen mit den
bunten Streifen. »Zum ersten Mal fiel uns 2090 auf, dass
sich dort etwas tat. Eine Aufzeichnung des Farside
Observatoriums.«
    Ganymed löste sich auf – er explodierte nicht, flog
nicht auseinander, sondern zersprang in zahllose Einzelteile, die
in der beschleunigten Wiedergabe augenblicklich einen Ring
bildeten.
    Wir hatten dies alle schon gesehen – diese Aufnahmen
– die meistdiskutierte Sequenz in der Geschichte der
Erforschung des Weltraums – sind uns ebenso geläufig
wie früher den Amerikanern die Bilder von Kennedys
Ermordung. Der Techniker, der sie machte, hat nicht nur Sinn
für Humor, sondern auch ein Gespür für Geschichte
gehabt, deshalb spielte ich die Tonaufzeichnung seiner
›angeblich‹ ersten Reaktion ab: »Meine
Sterne, der Himmel ist voller Götter!«
    Höfliches Gelächter in der Runde.
»Okay«, sagte ich, »wir haben es alle
gehört. Aber er hatte Recht. Und wir wissen immer noch
nicht, wie sie es anstellten, nicht einmal

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