Die Cassini-Division
ansatzweise. Sam
Malley hatte nachgewiesen, dass das Tor und der Antrieb
physikalisch möglich sind, und die Grundlage der Nanotech
und des Uploadens waren bereits bekannt – das reichte
zurück bis in die achtziger Jahre des neunzehnten
Jahrhunderts. Aber die Zerstörung des größten
Mondes des Sonnensystems war doch ein ziemlicher Schock für
uns.«
Der entsetzlichste Moment meines Lebens, um genau zu sein. Ich
nickte Tony zu, der den Faden aufnahm.
»Wir alle«, sagte er, »mussten dabei daran
denken, dass die Außenweltler ihre Absicht kundgetan
hatten, alles mit Ausnahme der Sterne in intelligente Materie zu
verwandeln, angefangen mit den kleineren Asteroiden und dann
immer weiter bis zu einem ›jupitergroßen
Gehirn‹, wie sie das nannten. Sie hatten da so eine
Redensart: ›Wenn es keine Programme abwickelt und keine
Atome verschmilzt, handelt es sich einfach um Material.‹
Deshalb waren wir alle sehr besorgt über die
Vorgänge.« Er lächelte verkniffen. »Zumal
die, welche auf dem Mond lebten.«
Malley, der auf einen Notizblock gekritzelt hatte, den er aus
dem Kniestück seines Anzugs hervorgeholt hatte, schaute
hoch. »Es wäre vielleicht möglich, den…
äh… Planetenzerstörer von den gleichen
Formeln abzuleiten wie das Tor«, sagte er. »Ich habe
im Laufe der Jahre zwar schon häufiger darüber
nachgedacht, den Gedanken aber nie zu Ende geführt. Ich
werde daran arbeiten.«
»Gut«, sagte ich und lächelte so warmherzig,
wie ich es vermochte. »Also, dann zum Wurmlochtor.«
Ich spulte das Band vor, stellte den Ring scharf und
vergrößerte das Bild bis an die Grenzen der in den
neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erreichbaren
teleskopischen Auflösung. Vor unseren Augen nahm ein
kompliziertes Gitterwerk Gestalt an, ein dreidimensionales Gewebe
aus schwarzen Fäden, das nach außen hin vom Ring
begrenzt wurde. Gleichzeitig veränderte sich das Aussehen
des Jupiter, dessen Streifen von Gegenströmungen verwirbelt
wurden. Ich erhöhte die Vergrößerung.
»Diese Aufnahmen wurden von einem Bauroboter gemacht,
das heißt, von der so genannten künstlichen Frau Meg,
die innerhalb des Roboters Jonathan Wildes Gefährtin
war«, erklärte ich. »Die schwarzen Streben sind
– nüchtern ausgedrückt – I-Träger aus
Polycarbon, enthalten jedoch komplizierte Geräte. Die
kleinen Roboter, die man umherflitzen und an dem Gebilde arbeiten
sieht, repräsentieren die Zwangsarbeiter. Ein jeder
enthält ein kopiertes menschliches Bewusstsein, das auf dem
Bordrechner läuft.« Ich legte eine Pause ein, presste
einen Moment lang die Lippen zusammen und holte tief Luft, dann
fuhr ich fort: »Hierbei« – ich fror das Bild
ein, dann ließ ich es weiterlaufen – »handelt
es sich um eine völlig andere Art von Upload. Dies
bezeichnen wir als ›Super-Organismus‹, während
die mit dem Projekt befassten ehemals menschlichen Arbeiter von
›Makros‹ sprachen. Es handelt sich um ein Objekt
aus intelligenter Materie, um einen Zusammenschluss von
Trillionen von Nanomaschinen, und zwar um einen von vielen. Jeder
Makro enthält buchstäblich Millionen von Bewusstseinen,
zumeist replizierte und intelligenzverstärkte Nachfahren der
ursprünglichen Außenweltler. Wilde bezeichnet sie als
›Schnelldenker‹, und dieser Terminus hat sich auch
durchgesetzt, denn er passt: ihre Bewusstseine denken und
verarbeiten Erfahrungen mindestens tausendmal schneller als
wir.«
Wir alle starrten den Makro an, ein albtraumhaftes,
gigantisches, amöbenhaft schillerndes Gebilde, das mit
oszillierenden fraktalen Oberflächen und unablässig
sich verlängernden und wieder kontrahierenden Pseudopodien
um die Träger herumflitzte. Neben ihm wirkten die
geknechteten Arbeitsroboter wie Zwerge.
»Diese Nahaufnahmen wurden auf der Erde nie
gezeigt«, meinte Suze vorwurfsvoll. Ich nickte heftig.
»So ist es«, sagte ich. »Wir haben sie
einstweilen zurückgehalten. Im inneren Sonnensystem wurden
lediglich die verwaschenen Flecken gezeigt, die damals von einer
Spionagesonde aufgenommen wurden, bevor sie entdeckt und
zerstört wurde.«
»Ausgesprochen demokratisch«, warf Malley ein.
»Ihr wolltet wohl eine Panik verhindern, hab ich
Recht?«
»Nicht nur das«, sagte Tony und beugte sich vor.
»Ich nehme an, auch Sie, Dr. Malley, empfinden angesichts
dieses Gebildes ein schwer erklärliches Unbehagen oder sogar
Furcht. Den genauen Grund kennen wir nicht,
Weitere Kostenlose Bücher