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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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unserer Antwort
erneut zwei Jahre ihrer subjektiven Zeit verstreichen. Sie hatten
Zeit genug, um Ihre ersten Eindrücke zu ordnen; ich will
Ihnen nun sagen, wie ich darüber denke.
    Seine Äußerungen zum Entstehen der
gegenwärtigen… Ausprägung posthumaner
Intelligenzen auf dem Jupiter decken sich mit unseren
Beobachtungen. Sie können ganz oder teilweise auf die
Erinnerungen ihrer menschlichen Vorfahren zurückgreifen, was
kaum verwundert, wenngleich es für uns eine beunruhigende
Erfahrung darstellt, von ihnen erkannt zu werden. Offenbar
bemühen sie sich, uns buchstäblich ein menschliches
Gesicht zu zeigen, und legen Wert darauf, dass wir glauben, dies
bereite ihnen beträchtliche Mühe. Sie haben eine
Erklärung abgegeben, bei der es sich oberflächlich
betrachtet um ein Angebot zur Zusammenarbeit und zum friedlichen
Miteinander handelt, die wir sorgfältig abwägen
sollten. Ich schließe daraus, dass sie nicht – noch
nicht – über die Mittel verfügen, uns bei einer
umfassenden Auseinandersetzung zu schlagen. Entwickeln sie sich
im bisherigen Tempo weiter, könnte das Gleichgewicht schon
bald zu ihren Gunsten kippen. Bislang deutet noch nichts darauf
hin, dass sie ihren Einfluss über die Jupiteratmosphäre
hinaus ausdehnen wollen – abgesehen natürlich von den
Funkausstrahlungen und den seltsamen Molekülen, die aus der
Atmosphäre aufsteigen und für die sie nicht
verantwortlich sein wollen.
    Ihr Bedauern über die von den funkübermittelten
Viren angerichteten Schäden und der Umstand, dass sie die
Verantwortung dafür von sich weisen, bewegen sich im Rahmen
der von uns im Vorfeld angestellten Überlegungen. Wir
können dies nicht verifizieren, doch ich glaube, hier gilt
das Prinzip ›im Zweifel für den
Angeklagten‹.
    Nun zu ihrem Angebot, mit uns zusammenzuarbeiten. Das
Argument, wir dürften sie nicht nach ihren Vorfahren oder
den Spekulationen der Denker aus der Zeit vor der
Singularität beurteilen, hat einiges für sich. Doch es
ergibt sich daraus noch eine andere Schlussfolgerung. Wenn sich
die Jupiteraner weiterentwickeln und es ihnen gelingt, der Falle
der virtuellen Realität zu entgehen, dann wären sie
oder ihre Nachfolger ihrem derzeitigen Bewusstseinsstand schon
bald ebenso weit überlegen wie derzeit ihren
Vorgängern. Jetzt blicken sie auf ihre Vorgänger hinab
und verleugnen sie im Grunde genommen. Der Schatten der Zukunft,
der ihnen im Moment noch lang vorkommen mag, wäre für
uns eine schmerzhaft kurze Zeitspanne. Schon in wenigen Tagen
oder Wochen könnten sie auf ihr gegenwärtiges Ich
zurückblicken, ihre damaligen Bedenken abtun und die
Versprechen, die sie diesen Kindern – wenn sie uns denn
überhaupt als solche wahrnehmen – gegeben haben,
brechen.
    Wie können wir sie, ohne ihnen militärisch
überlegen zu sein, an ihre Versprechen binden? Und wie
lässt sich unsere militärische Überlegenheit
für die Zukunft sicherstellen? Darauf gibt es keine Antwort
– und deshalb stehen wir vor der Entscheidung, ihnen
entweder zu vertrauen oder sie zu vernichten.«
    Tatsuro legte die Hände mit den Handflächen nach
oben auf den Tisch und ließ den Blick langsam von einem zum
anderen schweifen. Er hob die Brauen, dann lehnte er sich
zurück.
    Ich war überrascht und erleichtert über seine
Erklärung. Zumindest er hatte sich von der Rhetorik des
Jupiteraners nicht täuschen lassen. Anderen war die kalte
Dusche, mit der er ihre Hoffnungen übergossen hatte, weniger
willkommen. Das entnahm ich ihren Gesichtern, wenngleich
anscheinend niemand das Wort ergreifen wollte.
    Also tat ich es.
    »Es gibt noch einen Punkt«, sagte ich, »der
bei der nächsten Unterredung zu einer Klärung beitragen
könnte. Der Jupiteraner hat gesagt, sie wollten ihren Teil
des Sonnensystems nutzen und uns den unseren überlassen. Es
wäre hoch interessant zu erfahren, welche Gebiete sie damit
meinen – was sie als ihnen gehörig betrachten und was
als uns gehörig. Ich meine mich erinnern zu können,
dass die Auseinandersetzung mit ganz ähnlichen Streitereien
um Eigentumsverhältnisse überhaupt erst begonnen hat.
Er, oder es, hat auch davon gesprochen, die während der so
genannten Traumzeit entstandenen Schäden wiedergutzumachen
oder Entschädigung zu leisten. Wen er wofür
entschädigen will, hat er nicht gesagt.«
    »Aber er hat doch bestimmt gemeint…« setzte
jemand an.
    »Nein!«, widersprach ich energisch. »Wir

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