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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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von Tatsuro, denn auf diese Weise gab er
uns Gelegenheit, nach der Anspannung des Kontakts Dampf
abzulassen. In dem Gedränge um die Kaffeemaschine tauchte
auf einmal Malley vor mir auf.
    »Zufällig habe ich Sie während des letzten
Teils der Botschaft angesehen«, sagte er. »Ich hoffe,
wir haben eine Aufzeichnung von unserer Gruppe gemacht. Ihre
Mimik war geradezu klassisch.«
    »Tatsächlich?« Ich hatte die Maschine
erreicht und wählte einen Espresso. »Wie
das?«
    Malley grinste mich über den Rand seines Bechers hinweg
an. »Hm«, machte er. »Ich hab mal in einer
Zeitung vom Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ein Foto von einer
verrückten Moskauer Pennerin gesehen, die Bilder von Stalin
und dem letzten Zaren umklammerte und in ein Schaufenster voller
Fernsehgeräte blickte, auf denen die neuen Politiker zu
sehen waren, die nach der Konterrevolution alle möglichen
Versprechungen machten. Genauso haben Sie
dreingeschaut.«
    »Manchmal habe ich keine Ahnung, wovon Sie
überhaupt reden, Sam«, sagte ich. »Aber wenn Sie
meinen, ich hätte ein wenig skeptisch und vielleicht auch
feindselig gewirkt, dann…«
    »Ja, das meine ich«, sagte er kichernd. Dann wurde
er wieder ernst. »Die Vorstellung, dass Sie nie Gelegenheit
bekommen hätten, sich anzuhören, was die Jupiteraner zu
sagen haben, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, Kontakt
mit ihnen aufzunehmen, ist schon erschreckend.«
    »Ja«, meinte ich. Wir bewegten uns seitwärts,
ließen uns aus der Menschentraube hinausdrängen. Ich
entdeckte zwei freie Plätze an der Tischecke und setzte
mich. »Ohne diese Botschaft hätten wir nie erfahren,
wie feindselig sie in Wirklichkeit sind.«
    Malley hätte beinahe den Kaffee verschüttet. »Feindselig? Ein großzügigeres
Friedensangebot konnte man von den Jupiteranern doch wohl kaum
erwarten.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich mag zwar manchmal den
Eindruck erwecken, ich sei mit Vorurteilen behaftet, doch ganz
gleich, was Sie denken mögen, kann ich mir durchaus
vorstellen, wie ein großzügiges Friedensangebot
aussehen könnte. Ich sage nicht, dass ich ihm Glauben
schenken oder dass ich sein Angebot selbst dann, wenn ich es
für überzeugend hielte, auch annehmen würde, aber
vorstellen kann ich es mir. Was wir eben gehört haben, war
jedoch etwas anderes.«
    »Offen gesagt, Sie erstaunen mich«, sagte Malley.
»Welche Probleme haben Sie damit?«
    »Ich bin noch damit beschäftigt, sie
aufzusummieren«, antwortete ich. »Der Teufel liegt im
Detail.«
    Malley verzog das Gesicht. »Na schön. Ich bin
Wissenschaftler, kein Politiker.«
    »Und was macht die Wissenschaft?«, fragte ich
leichthin.
    »Ah.« Malley senkte den Blick, dann sah er mir in
die Augen. »Wie Sie schon sagten: Der Teufel liegt im
Detail. Es geht darum, den richtigen Eintrittswinkel ins Wurmloch
zu treffen – nur so kommt man beim Tochterwurmloch heraus
und nicht am Arsch der Sonde. Hat man den erst einmal bestimmt,
ist das Folgende leicht. Davon bin ich allerdings noch weit
entfernt. Bereits die physikalische Messung des Winkels
hängt davon ab, wie man den Ort auf der
Quasi-Oberfläche definiert, und das ist technisch gesehen
nicht ganz einfach. Aber deswegen sind wir ja hier, nicht
wahr?«
    Während alle anderen umherwimmelten,
überprüften Joe und Clarity die aufgezeichnete
Botschaft mit einer Diagnosesoftware. So weit sie erkennen
konnten, war sie clean. Als sie dies bekannt geben hatten,
klopfte Tatsuro auf den Tisch und setzte die Beratung fort.
    »Nun denn«, sagte er. »Wir wissen, dass die
Botschaft weder Trojanerviren noch semiotische Fallen
enthält, daher schlage ich vor, dass wir sie
unverzüglich der Division zur Verfügung stellen. Ist
jemand dagegen?«
    Niemand meldete sich.
    »Also gut«, sagte er. »Einstimmig
beschlossen.«
    Joe schloss die Kameras wieder an. Abermals drangen von
draußen Geräusche herein. Tatsuro drückte ein
paar Tasten, dann wurde die Unterhaltung mit dem Jupiteraner auf
die Divisionsbildschirme übermittelt, während die
Beratung live auf anderen Kanälen übertragen wurde.
    »Nächstes Thema: ist jemand dagegen, den Kontakt
fortzuführen?«
    Auch diesmal erhob niemand Einwände.
    »Dann schlage ich vor, dass wir jetzt über unsere
Antwort sprechen«, sagte Tatsuro. »Den
Äußerungen des Jupiteraners war zu entnehmen, dass
diese Wesen so schnell denken wie eh und je – tausendmal
schneller als wir. Wir wollen nicht, dass bis zu

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