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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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mich.«
    »Warten Sie«, sagte ich, ehe Tony anfangen konnte,
in politischen Erinnerungen zu schwelgen, »so ist das
nicht. Wir haben Probleme mit der Elektronik, aber bloß
wegen der Schnelldenker. Wir verfügen über alle
möglichen raffinierten Geräte, bloß haben wir die
Technik in eine andere Richtung weiterentwickelt.«
    »Mein alter Großvadder hat mir erzählt, die
verfluchten Russkis hätten das auch immer gesagt«,
meinte Powell mit unerträglicher Sturheit. »Dabei
hatten sie bloß den Energia-Antrieb, die Mig und das AK-47.
Der Rest war Krebsscheiße.«
    Malley, der hinter mir ging, lachte.
    »Überlegen Sie doch mal«, sagte ich.
»Was glauben Sie wohl, weshalb wir im Dunkeln sehen
können?«
    »Jedenfalls nicht mit genetisch implantierten
Sehverstärkern, da möcht’ ich wetten«,
erwiderte Powell.
    Mit einem Blinzeln erhöhte ich die Sehschärfe meiner
Kontakte und schwieg, bis wir an Powells Hintertür angelangt
waren. Er trat beiseite, um uns einzulassen. Bevor ich seiner
Aufforderung nachkam, wies ich den Anzug an, den Schmutz von
meinen Stiefeln abzustoßen und eine spektakuläre
Transformation zu durchlaufen, dann trat ich über die
Schwelle in den hell erleuchteten Raum.
    Ich wandte mich mit wirbelnden Röcken um, senkte den
Blick und stellte fest, dass sich zumindest ein Teil der Kameras
in gut sichtbare Perlen verwandelt hatte.
    Powell grinste. »Das ist ein hübscher Anzug,
Ma’am«, bemerkte er bloß. Er wartete, bis wir
alle eingetreten waren – die anderen Frauen folgten meinem
Beispiel, jede auf ihre Weise –, dann schloss er die
Tür, legte die Flinte in ein Regal und führte uns
durchs Haus.
    Der erste Raum, durch den wir kamen, war ein Abstellraum:
nackte Betonwände – ähnlich dem Meeresbeton,
bloß dass der Kalkstein fossiler Herkunft war – mit
Regalen voller Werkzeug und Saatgut, davor geparkte Roboter. Dann
führte Powell uns an geschlossenen Holztüren vorbei in
den Hauptteil des Hauses. Irgendwann war der Boden mit dickem
Teppich belegt, den Powell betrat, ohne auch nur den Dreck von
den Schuhen abzuschütteln. Nach einigen Schritten waren
seine Schuhe sauber. Wie es geschah, bekam ich nicht mit. Der
Teppichflor wogte leicht, als er darüberging; das war
alles.
    Von draußen hatte das Haus recht groß gewirkt, wie
ein künstlicher grasbewachsener Hügel von dreißig
Metern Länge und vier Metern Höhe. Von innen wirkte es
noch größer, denn es war auch dreißig Meter
breit, und ein Teil davon befand sich unter der Erde. Wir
gelangten schließlich auf einen Balkon, der um einen
vertieft angelegten Innenhof herumführte, dessen Dach aus
einer Glasschicht bestand, hinter der wir träge Fische und
den durchs Wellengekräusel verzerrten Sternenhimmel
ausmachten. Die untere Ebene war heller beleuchtet und
möbliert mit lederbezogenen Sofas und Sesseln sowie ein paar
Tischen. An einem der Tische saß eine Frau, die bei unserem
Eintreten aufstand und uns entgegenlächelte. Wir stapften
hinter Powell eine Treppe hinunter, die der geschwungenen Wand
bis zum Boden folgte, vorbei an einem Teich mit großen
Pflanzen und Fischen.
    An den Wänden gab es Monitore, die allesamt ausgeschaltet
waren; ein paar große Standfotos von Menschen und
Erdlandschaften; außerdem zahlreiche unbekannte Objekte,
die zumeist organisch wirkten, vermutlich aber künstlichen
Ursprungs waren. Sie klammerten sich an die Wände, hockten
auf Regalen oder hingen von der Decke. Man sah sie nie in
Bewegung, doch wenn man sie ansah, hatte man den
verstörenden Eindruck, als hätten sie sich gerade eben
bewegt.
    »Leute, das ist meine Frau«, sagte Powell, wandte
sich herum und musterte uns.
    Die Frau trat lächelnd auf uns zu. Sie war etwa
eins-fünfundsechzig groß und hatte eine kräftige,
kurvenreiche Figur, die von ihrem ziemlich engen, mit
Edelsteinperlen besetzten roten Kleid eher betont als bedeckt
wurde. Das blonde Haar fiel ihr in kunstvollen Wellen auf die
Schultern. Ihr Gesicht war von einer Schicht Kosmetika bedeckt,
obwohl sie jung und hübsch war. Sie fasste mich bei den
Händen.
    »Willkommen«, sagte sie. »Es ist mir eine
Freude und Ehre, Sie kennen zu lernen. Ich heiße Abigail,
und Sie sind gewiss Miss Ellen May.«
    »Ellen reicht, Nachbarin Abigail«, erwiderte ich.
»Auch mir ist es eine Freude und Ehre.«
    »Sehr freundlich von Ihnen«, sagte sie. Ihr Akzent
war weniger stark ausgeprägt als der von Andrew, und von

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