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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Verdammt, er hatte keine Zeit zu verlieren. Er zog seine Jacke aus, wickelte sie um seine zur Faust geballte rechte Hand und schlug damit eins der Fenster neben der Tür ein. Glas zersplitterte, fiel in den Schnee und ins Hausinnere. Die scharfen Glaskanten, die im Fensterrahmen stehen blieben, schlug Daniel ebenfalls fort, dann hangelte er sich nach innen.
    Schwer atmend stand er in der Diele des Hauses, in dem Ghislaine und er ihre Kindheit verbracht hatten.
    »Isabelle?«
    Im Erdgeschoss war es stockdunkel, doch er kannte das Haus wie seine eigene Westentasche. Ohne zu zögern, stürmte er die Treppe nach oben in den ersten Stock, wo ein schwacher Lichtstrahl zu sehen war.
    Er fand Isabelle Feininger zusammengekauert auf dem Boden ihres Schlafzimmers.
    »Daniel …« Ihr Blick war glasig, und sie flüsterte: »Das Kind …«
    Mit einem Satz war Daniel bei ihr am Boden, griff unter ihre Arme und zog sie hoch. »Komm, ich helfe dir erst mal aufs Bett.« Isabelle schrie so schmerzerfüllt auf, dass er sie fast wieder sinken ließ. Er hielt kurz inne, dann hievte er sie vollends auf die Ma­tratze. Sein Herz pochte bis zum Hals, als er über ihr blasses Gesicht strich. Ihre Lider flackerten so heftig, dass er Angst hatte, sie würde im nächsten Moment in Ohnmacht fallen. Wie viele Stunden quälte sie sich schon?, fragte er sich bang. Und warum war niemand bei ihr?
    Sein Blick raste durch das Zimmer, in dem früher seine Eltern genächtigt hatten. Keine Schüsseln mit heißem Wasser, keine sauberen Tücher, keine Schere, um die Nabelschnur durchzuschneiden – nichts deutete auf irgendwelche Geburtsvorbereitungen hin. Isabelle musste von den Wehen überrascht worden sein.
    Daniel konnte sich nicht erinnern, sich jemals so hilflos gefühlt zu haben. Im Weinkeller vermochte er jede Krise zu meistern, aber von Geburten hatte er natürlich keinen blassen Schimmer.
    »Isabelle, ich bin da. Du musst mir sagen, was ich tun soll!« Eindringlich suchte er Blickkontakt. Doch schon bäumte sich Isabelles Körper erneut auf. »Hol Ghislaine, sie kann –« Ihr Stöhnen dröhnte laut in seinen Ohren.
    Er biss sich auf die Unterlippe. Der Gedanke, sie allein zu lassen, und wenn auch nur für kurze Zeit, war unerträglich. Trotzdem gab er sich einen Ruck. Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er aus dem Haus und die Straße entlang, als wären die Hunde der Hölle hinter ihm her.
    Ghislaine kniete zwischen Isabelles Beinen. Sich die Haare aus dem Gesicht streichend, sagte sie: »Daniel, setz dich hinter sie und halte sie aufrecht. Der Kopf ist schon zu sehen, noch ein-, zweimal pressen und das Kind ist da!«
    Isabelle, von einer neuen Wehe übermannt, schrie auf. Im nächsten Moment spürte sie Daniels Arme um sich. Er nahm ihren Kopf in beide Hände, strich ihr zärtlich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht.
    »Du schaffst es, Isabelle. Du bist die mutigste Frau von allen. Gleich, gleich ist es vorbei!«
    Seine Worte, so nahe an ihrem Ohr, waren wie Balsam für sie. Doch schon im nächsten Moment verspürte sie erneut den übermächtigen Drang zu pressen. Sie spürte, wie der Kopf des Kindes endlich aus ihr hinausrutschte. Ein Schwall Flüssigkeit begleitete ihn, und dann folgte der restliche Körper des Kindes. Ein anderes Schreien ertönte, es erinnerte Isabelle an das Liebesmiauen von Katzen in einer lauen Sommernacht.
    »Ein Mädchen«, sagte Ghislaine und schluchzte auf. Mit zittrigen Händen rieb sie den verschmierten kleinen Körper mit dem Zipfel des schmutzigen Lakens ab, dann reichte sie das Kind seiner Mutter. Daniel riss den Schrank auf und durchwühlte ihn nach einer sauberen Decke. Als er fündig geworden war, deckte er Isabelle und das Kind sanft damit zu.
    Isabelle blinzelte dankbar. »Ein Christkind.«
    Ghislaine stand am Kopfende des Bettes und hatte die Hände wie zum Gebet gefaltet. Im schwachen Kerzenlicht erschienen ihre Umrisse wie die Silhouette eines Scherenschnitts. Doch schon im nächsten Moment erwachte sie wieder zum Leben. »Eine Schere! Ich brauche eine Schere, um die Nabelschnur zu durchtrennen. Und heißes Wasser. Hoffentlich ist Micheline unten in der Küche schon so weit.« Polternd rannte sie die Treppe hinab.
    Erschöpft, aber glücklich schaute Isabelle das kleine Wesen in ihrem Arm an. Das Mädchen hatte weit auseinanderstehende Augen, winzige Ohren und einen kleinen Kussmund. Die Kleine sah mindestens so erschöpft aus, wie sie selbst es war. Von dem rötlich schimmernden Haarflaum

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