Die Champagnerkönigin
bestimmt: »Ich muss in kürzester Zeit so viel wie möglich über Champagner lernen!«
Sie gab keine weitere Erklärung.
»In Hautvillers werden Sie wohnen? Gratulation! Es ist ein sehr schöner Ort. Dort lebte einst der berühmte Mönch Dom Pérignon. Er hat viel für die Champagnerherstellung getan. Falls es Ihre Zeit erlaubt, sollten Sie bei einem Spaziergang unbedingt einmal sein Grab besuchen.«
Die junge Frau nickte, ging jedoch auf sein Geplänkel nicht weiter ein.
Schwatzhaft war sie nicht gerade und auch nicht kokett oder affektiert, wie er es so oft erlebte.
Was für eine entzückende, ja, hinreißende Erscheinung! Raymond lächelte. Eigentlich hätte er sich auf den Besuch von Madame Depeche, seiner nächsten, sehr wohlhabenden Kundin vorbereiten wollen, doch er überraschte sich selbst, indem er sagte: »Wie wäre es mit einer Champagnerprobe? Am besten lernt man doch immer in der Praxis, nicht wahr?« Mit einer Handbewegung lud er seine Besucherin ein, ihm zu einer Sitzgruppe zu folgen, die aus einem soliden Tisch und bequemen Sesseln in einem unauffälligen Braun bestand. Champagner war in Raymonds Augen eine ernstzunehmende Angelegenheit, verspielte Stühlchen und zierliche Tische waren dabei fehl am Platz. Seine Kunden sollten sich nicht den Kopf darüber zerbrechen müssen, wo sie Ellenbogen und Beine unterbringen konnten. Ihre Sinne sollten angeregt werden, oder besser noch, erregt werden. Wie bei einem leidenschaftlichen Liebesspiel sollte der Champagnerfreund die Welt um sich herum vergessen und nur noch fühlen, riechen, schmecken und sehen …
»Darf ich fragen, was … das kostet?«, sagte die Frau mit leicht gesenktem Blick.
»Natürlich gar nichts«, erwiderte Raymond leichthin. »Oder haben Sie vorhin etwa festgestellt, dass ich meinem Kunden die Weinprobe berechnet hätte? Nun kommen Sie schon.« Er ergriff drei Flaschen Champagner, die seit gut einer Stunde in einem großen Silberkübel hinter der Ladentheke auf Eis gelegen hatten. Sie waren für die arrogante Madame Depeche gedacht, die später am Tag kommen wollte, um für ihr malerisch an der Marne gelegenes Restaurant neue Champagner auszusuchen. Da sie sich stets auf seinen Geschmack verließ und über keinen eigenen verfügte, konnte er ihr auch andere Champagner präsentieren.
»Sie sind Deutsche?«
»Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, verzeihen Sie. Mein Name ist Isabelle Feininger. Und ja, ich komme aus Deutschland, aus Berlin, genauer gesagt.« Sie reichte ihm die Hand. Ein erstes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. Raymond spürte, wie sie sich ein wenig entspannte.
Feininger? Er merkte auf. Gab es in Hautvillers nicht einen deutschen Winzer mit diesem Namen? Ein komischer Kauz. Er hatte noch nie mit ihm zu schaffen gehabt, aber hin und wieder von ihm gehört. War sie seine Ehefrau? Oder handelte es sich zufällig um eine Namensgleichheit?
»Dann wissen Sie bestimmt, dass es hier in der Champagne schon viele Deutsche gegeben hat, deren Verdienste um den Champagner groß waren. Denken Sie an Mumm, an Heidsieck oder an Krug. Auch heute noch finden viele Weinfachleute den Weg aus Ihrem Land hierher in die Champagne.«
»Bei mir trifft leider das Gegenteil zu – ich weiß gar nichts über Champagner. In Berlin wird zu Festlichkeiten vor allem Sekt ausgeschenkt – es heißt, Kaiser Wilhelm werde regelrecht böse, wenn jemand es wagt, eine Flasche Champagner zu öffnen. Mein Vater hat es zu besonderen Anlässen dennoch getan, und so kam auch ich ab und zu in den Genuss«, sagte Isabelle Feininger.
Keine eitle Angeberei. Kein unangemessener Standesdünkel. Dafür sprach sie so beiläufig von Kaiser Wilhelm, als wäre er ein guter Bekannter. Und sie hatte kein Parfüm aufgelegt, Raymond nahm lediglich einen Hauch von Zitronenduft bei ihr wahr. Parfüm störte bei jeder Weinprobe nur.
»Wissen Sie, dass Sie gerade den größten Unterschied zwischen euch Deutschen und uns Franzosen genannt haben?«, sagte er lächelnd. »Ein deutscher Weinliebhaber öffnet eine Flasche Champagner nur zu einem besonderen Anlass. Wir Franzosen jedoch öffnen eine Flasche Champagner, um aus jedem Moment einen besonderen Anlass zu machen.« Mit geübtem Griff entfernte er zuerst die Folie und dann das Drahtkörbchen von der ersten Flasche. Statt gleich den Korken herauszudrehen, zog er zuerst die Metallkappe vom Korken ab.
»Die sogenannte plaque . Für Sie, Madame, ein Glücksbringer – vielleicht wirkt er ja?«
Während sie
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