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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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kuschelte sich an Leon, der wie sie neben dem Fahrer auf dem Kutschbock Platz genommen hatte.
    » Bonne chance hat der Mann im Champagnerladen mir gewünscht. Ist das nicht nett? Viel Glück. Das können wir wirklich gut brauchen.«
    Leon legte einen Arm um sie. »Eins muss ich den Champenois schon jetzt lassen – sie sind wirklich sehr freundlich«, sagte er und erzählte erneut von seiner gestrigen Fahrradtour, bei der er drei Profiradfahrern begegnet war und von ihnen etliche Tipps bezüglich der Routen und Straßen bekommen hatte.
    »So viel Wald? Das hätte ich ausgerechnet in der Champagne nicht erwartet«, sagte Isabelle zum Kutscher, nachdem sie eine gute halbe Stunde außer Bäumen nichts gesehen hatte. Laub vom Vorjahr lag zwischen den noch winterlich kahlen Bäumen und schaffte eine morbide Stimmung. Die Sonne, die zuvor so goldgelb wie die Märzenbecher in den Vorgärten geschienen hatte, verströmte ihr Licht hier nur in fahlen Streifen. Einmal sah Isabelle einen Hasen, ansonsten nichts.
    »Die weltberühmten Weinberge kommen schon noch«, sagte der Kutscher grinsend.
    Und tatsächlich – irgendwann lichtete sich der Wald, das Land wurde weit und offen, und die Sonne strahlte wieder von einem wolkenlosen Himmel herab.
    Die Kutsche bog um eine Kurve, der Fahrer hielt die Pferde an.
    » Et voilà !«, sagte er und machte eine ausholende Handbewegung, mit der er die sanftgeschwungene Hügellandschaft der Montagne de Reims einschloss.
    Isabelle blies hörbar Luft aus. »Das ist ja … das ist unglaublich!« Ihre Augen schweiften über Tausende, nein Millionen von Rebstöcken, akkurat in Reih und Glied gepflanzt. Steile Weinberge so wie in der Pfalz gab es hier nicht, teilweise standen die Rebstöcke sogar auf flachem Land. Wie ein Meer mit leichtem Wellengang, dachte Isabelle und fand den Eindruck von Weite und Unendlichkeit überwältigend. Aber noch viel beeindruckender war das Wissen, dass diese Landschaft von Menschenhand geschaffen worden war. Menschliche Arbeit und Gottes Segen, schoss es ihr durch den Kopf. Es war ein für sie völlig fremder Gedanke, der ihr bisher weder in Berlin mit seinen riesigen Fabrikgebäuden noch in der Pfalz je gekommen war. Sie fühlte, wie eine eigentümliche Rührung sie befiel.
    »Irgendwo mittendrin liegen auch unsere Weinberge, ist das nicht großartig?«, sagte Leon.
    Isabelle ergriff seine Hand und sagte leise: »So schön habe ich mir das alles gar nicht vorgestellt.« Sie nickte in Richtung der Reben. »Was sind denn das für Sträucher, die am Ende jeder vierten oder fünften Rebzeile stehen?«
    »Rosen, was denn sonst?«, erwiderte Leon beiläufig.
    »Die Rosen sind für die Champagne fast so typisch wie die Rebstöcke«, mischte sich der Kutscher ein. »Und sie stehen nicht ohne Grund dort, denn Rosen sind bei der entsprechenden Witterung sehr schnell anfällig für eine Pilzkrankheit mit dem Namen Mehltau. Wenn ein Winzer also einen befallenen Rosenstock sieht, weiß er, dass es höchste Zeit ist, seinen Weinberg mit einem Mittel gegen diese Pilzkrankheit zu behandeln.«
    »Wenn die Rosen in Blüte stehen, sieht das bestimmt wun­derschön aus.« Isabelles Stimme klang belegt, der Kloß in ihrem Hals wurde dicker. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie, das Stadtkind, je von einer Landschaft so beeindruckt worden war. Hier gehörst du hin, sagte eine leise Stimme tief in ihrem Inneren.
    »Sehen Sie?« Der Kutscher deutete auf ein Dorf in der Ferne. Es lag auf einem Hügel, der höher war als die meisten anderen, wodurch es erhaben und den Wolken sehr nah wirkte. »Hautvillers.«
    Isabelle blinzelte heftig. Sie war angekommen. In Hautvillers. Ihrem neuen Zuhause.
    Eine steile Hauptstraße schlängelte sich den Berg hinauf, gepflegte, nicht übermäßig große Häuser reihten sich links und rechts der Straße dicht aneinander. Kein Haus besaß mehr als zwei Stockwerke, Isabelle kam es so vor, als wollten die Bewohner die Rebstöcke, die teilweise bis an die Hauswände heranreichten, keinesfalls übertrumpfen. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sich alles in solch einem Einklang zu befinden schien? Fast jedes Haus war mit einem schmiedeeisernen Schild geschmückt, auf dem die Profession der Hausbewohner dargestellt war. Während sich die Kutschpferde ins Zeug legten und mit vorgereckten Köpfen die steile Hauptstraße von Hautvillers erklommen, fuhren sie an einem Korbmacher vorbei, an einem Gemischtwarenladen, dem Waschhaus und einem Schuhmacher.

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