Die Champagnerkönigin
die silberfarbene plaque erfreut betrachtete, öffnete er die Flasche auf eine Art, dass nur ein leises Seufzen zu hören war. Genauso verfuhr er mit den nächsten beiden Flaschen. Drei Weine würden für den Anfang reichen. Er schenkte zwei Gläser zur Hälfte voll und reichte ihr eins.
»Champagner ist ein ganz besonderes Getränk. Ein einziger Schluck genügt, um einen in eine gute Stimmung zu versetzen, aber wie groß ist erst der Genuss einer ganzen Flasche! Er verführt die Menschen, belebt jedes Gespräch, vertreibt Kummer und Pein, und –« er machte eine kleine Kunstpause – »Champagner ist das Getränk, bei dem man vortrefflich flirten kann.« Statt ihr in die Augen zu sehen, wie er es gern getan hätte, betrachtete er die weißgolden perlende Flüssigkeit in seinem Glas. »Sehen Sie die unzähligen Perlen? Ich könnte stundenlang in ein Champagnerglas schauen, ohne dass mir dabei langweilig würde. Anderen Menschen scheint es ähnlich zu gehen, denn noch nie wurde so viel Champagner produziert, verkauft und getrunken wie heute. Die Menschen sind geradezu süchtig danach!«
»Und woran liegt das Ihrer Ansicht nach?«, fragte Isabelle ernsthaft und wirkte dabei nicht die Spur verführt.
Raymond zuckte mit den Schultern. »Die Geschäfte in fast allen Sparten der Wirtschaft laufen sehr gut, allerorts schießen neue Fabriken und Geschäfte wie Pilze aus dem Boden. Geld ist genug vorhanden, Kriege oder andere feindselige Konflikte liegen derzeit nicht in der Luft, wir leben also in beschwingten Zeiten. Aber nicht, dass Sie glauben, Champagner sei eine vorübergehende Modeerscheinung! Schon unter König Ludwig dem Vierzehnten war Champagner ein äußerst beliebtes Getränk.« Raymond war erleichtert, zu sehen, dass sie wusste, von wem er sprach. Ein Mangel an Bildung hätte seinem Gast schlecht zu Gesicht gestanden. Bildung und Charme – zwei weitere wichtige Ingredienzen für Schönheit. Und Anmut in den Bewegungen. Isabelle Feininger bewegte sich so anmutig wie ein junges Reh.
»Es heißt, der Sonnenkönig wünschte sich kein anderes Getränk. Was er sagte, was er tat, wurde nicht nur von den Angehörigen seines Hofes genauestens beobachtet, sondern von der feinen Gesellschaft in aller Herren Länder. Durch Ludwig den Vierzehnten wurde Champagnertrinken Mode. Doch nun genug von den geschichtlichen Fakten. Probieren Sie!« Er hob in einer aufmunternden Geste sein Glas. »Wir haben hier einen Dom Pérignon Millésime, er wurde in Hautvillers hergestellt, dem Ort, in den Sie –«
»Den Begriff habe ich gestern Abend schon einmal gehört!«, unterbrach sie ihn, und auf ihren Wangen zeigte sich eine leichte Röte. »Ein Millésime …« Sie ließ das Wort über ihre Lippen perlen. »Was genau versteht man darunter?«
Er hätte gern erfahren, in wessen Gesellschaft sie den Begriff vernommen hatte. »Normalerweise werden beim Champagner Weine aus verschiedenen Jahrgängen miteinander vermählt. So kann ein Kellermeister mit Weinen eines guten Jahrgangs qualitativ schwächere Jahrgänge ausgleichen und folglich über Jahre hinweg eine gleichbleibende Qualität produzieren. Diese Champagner könnte man als non-Millésime bezeichnen, aber normalerweise lässt man diese Bezeichnung einfach fort. Bei einem Millésime hingegen werden nur Weintrauben aus einem besonders guten Jahrgang verwendet, und dies wird voller Stolz auf dem Etikett vermerkt. Es ist schon einige Jahre her, dass es den letzten Millésime gegeben hat …« Raymond entfuhr unwillkürlich ein leises Seufzen. So vieles war schon einige Jahre her …
»Bei der normalen Weinherstellung verfährt man aber nicht so, oder? Da kommen nur Trauben eines Jahrgangs in die Flasche.« Auf ihrer Stirn zeigte sich eine angestrengte kleine Falte.
Ein wenig weiß sie also, dachte Raymond. Und sie schämt sich nicht nachzufragen. Mit einem Eifer, den er schon lange nicht mehr verspürt hatte, führte Raymond seine Erörterungen weiter aus.
»Diese aufwendige assemblage verschiedener Jahrgänge ist tatsächlich einzig dem Champagner vorbehalten. Es werden außerdem nur drei Traubensorten verwendet: Der Pinot Noir, der dem Wein sein langes Leben beschert. Der Pinot Meunier, der für die fruchtige Note und die Leichtigkeit im Glas zuständig ist. Die Dritte im Bunde ist die Chardonnay-Traube – ohne sie wäre ein Champagner unelegant und langweilig. Jeder Kellermeister macht ein großes Geheimnis daraus, in welchem Mischungsverhältnis er die Trauben
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