Die Chaos-Kompanie
Hausarbeit nicht zu groß wurde. Wissen Sie, wie es ist, wenn man eine fünf Jahre jüngere Schwester hat, die versucht, einen herumzustoßen?«
Narrisch wurde von der Frage überrumpelt und suchte unsicher nach einer Antwort. Zum Glück schien Supermücke gar keine zu erwarten, denn, sie fuhr fort: »Jedenfalls habe ich mir irgendwie angewöhnt, jedem an die Kehle zu gehen, der mich schikaniert. Sehen Sie, wenn Sie so groß sind wie ich, dann können Sie nicht darauf warten, dass der andere zuerst zuschlägt, oder alles ist vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat. Sie müssen zuerst auf ihn losgehen, wenn Sie Ihre Treffer anbringen wollen. Selbst dann klappt es nicht immer, aber wenigstens haben Sie auf die Weise eine Chance.«
Sie machte eine Pause, um an ihrem Kaffee zu nippen, dann wischte sie sich entschieden mit der Serviette den Mund ab.
»Schätze, was ich eigentlich sagen will, Herr Hauptmann, ist: was man sieht, das kriegt man auch. Ich bin mir völlig darüber im klaren, dass meine ständigen Kämpfe störend sind, aber sie sind nun mal eine alte Angewohnheit, und ich persönlich würde nicht darauf wetten, dass sich daran etwas ändert. Wenn es Ihnen wirklich Probleme bereitet, könnte ich mich versetzen lassen. Es wäre weiß Gott nicht das erste Mal.«
Trotz seiner äußerlichen Gelassenheit war Narrisch angesichts der Offenheit dieser kleinen Legionärin sprachlos.
Obwohl die Disziplin der Kompanie ihm Sorgen bereitete, stellte er fest, dass er die Mücke zu mögen begann.
»Ich ... glaube wirklich nicht, dass das nötig sein wird«, verwarf er diese Möglichkeit auf Anhieb. »Sagen Sie, macht es Ihnen denn nichts aus, dass Sie immer unterliegen? Warum brechen Sie andauernd weitere Kämpfe vom Zaun, die Sie nicht gewinnen können?«
Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Unterhaltung wirkte Supermücke verlegen.
»Tja, sehen Sie, Herr Hauptmann, so, wie ich aufgewachsen bin, habe ich mir immer vorgestellt, dass es das wichtigste ist, für sich selbst und das, an was man glaubt, einzustehen, ganz gleich, ob man eine Chance hat oder nicht. Wenn Sie nur kämpfen, falls Sie gewinnen können ... nun, dann sind Sie einfach ein Tyrann, der die Schwäche der anderen ausnutzt. Ich schätze, so wie ich aufgewachsen bin, hatte ich nie viel für Tyrannen übrig, also reagiere ich irgendwie empfindlich darauf, selbst einer zu sein.«
Der Kommandant war beeindruckt. »Aber würden Sie gerne öfter gewinnen? Oder wenigstens manchmal?«
»Natürlich«, sagte sie. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Hauptmann, Bloß weil ich nicht wählerisch hinsichtlich meiner Kämpfe bin, heißt das nicht, dass ich auf Verlieren stehe. Wenn Sie irgendwelche Vorschläge in dieser Richtung hätten, würde ich sie zu schätzen wissen.«
»Na ja, ich dachte gerade, Sie könnten sich vielleicht mal mit asiatischen Kampfsportarten beschäftigen ... Sie wissen schon, Karate oder so. Vieles davon wurde von und für kleine Leute entwickelt, und ...«
Er brach ab, als er merkte, dass Supermücke ihn mit einem lausbübischen Grinsen anstarrte.
»Von asiatischen Kampfsportarten brauchen Sie mir nichts zu erzählen, Herr Hauptmann. Wissen Sie, ich habe Gürtel in drei Karateschulen - koreanisch, japanisch und okinawanisch -, dazu Judo und ein paar der chinesischen Formen. Das Problem ist, dass man einen klaren Kopf bewahren muss, damit diese Systeme funktionieren, und wenn ich wütend werde - und ich muss wütend sein, um zu kämpfen -, kriege ich es irgendwie nicht mehr geregelt und bin wieder nur ein Raufbold.«
»Drei Schulen«, echote Narrisch schwach.
»Ganz recht. Meinem ersten Ehemann gehörte eine Dojo-Kette, also war es ganz einfach für mich, Unterricht zu nehmen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Herr Hauptmann, ich müsste jetzt eigentlich gerade in der Küche helfen.«
Sie verschwand und ließ einen Narrisch zurück, der mit offenem Mund hinter ihr her starrte.
»Haben Sie einen Augenblick Zeit, Herr Hauptmann?«
Überrascht blickte Narrisch auf und sah vor der Penthousetür Schokoladen-Harry. Genaugenommen füllte der schwarze Versorgungsfeldwebel die Tür nicht nur aus; vielmehr beherrschte er sie und das Zimmer mit seiner Körperfülle.
»Sicher. Kommen Sie nur rein, Schoko. Was kann ich für Sie tun?«
Trotz seines bewusst beiläufigen Tonfalls war der Kommandant neugierig, was Harry aus seinem normalen Versteck im Versorgungslager hervorgelockt hatte. Seit die neuen Uniformen ausgegeben worden
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