Die Chaos Queen
Mittelkonsole klettern. »Steig aus!«, rief ich Grandma zu. »Ich muss den Geländewagen verfolgen!«
»Kein Stück! Das lasse ich mir nicht entgehen. Den hole ich mir«, sagte Grandma. »Schnall dich an!«
Ich wollte mich weigern, doch schon hatte Grandma den Gang eingelegt. Sie schoss rückwärts und rammte den Wagen hinter uns. Er bewegte sich einen Meter zurück.
»So ist es besser«, sagte Grandma. »Jetzt hab ich genug Platz zum Ausparken.« Sie wendete Morellis Geländewagen quer über die Straße, trat auf die Bremse, drückte auf die Hupe und fädelte sich in den Gegenverkehr ein.
Vor ein paar Jahren hat Grandma Autofahren gelernt. Umgehend bekam sie Punkte für Geschwindigkeitsüberschreitungen und musste den Führerschein abgeben. Damals war sie keine besonders gute Fahrerin, und in der Zwischenzeit war sie nicht besser geworden. Ich schnallte mich an und schloss einen Pakt mit Gott. Ich will ein besserer Mensch werden, betete ich. Das schwöre ich. Ich werde sogar zur Kirche gehen. Gut, das vielleicht doch nicht. Aber an Feiertagen könnte ich es einrichten. Lass nur nicht zu, dass Grandma uns beide umbringt.
»Gleich hab ich ihn«, verkündete Grandma. »Er ist nur noch zwei Wagen vor uns.«
»Behalt die beiden Autos dazwischen«, riet ich ihr. »Ich will nicht, dass er uns sieht.«
Die Ampel vor uns sprang auf Rot um. Spiro schoss bei Gelb über die Kreuzung, wir mussten hinter den beiden Autos warten. Grandma riss das Steuer nach rechts, hüpfte auf den Bürgersteig und fuhr bis zur nächsten Querstraße. Sie drückte auf die Hupe, trat das Gaspedal durch und schoss quer über zwei Fahrspuren. Ich stemmte die Beine gegen das Armaturenbrett und kniff die Augen zu.
»Ich hab eine bessere Idee«, schlug ich vor. »Wir fahren zurück zu Stiva. Was ist, wenn der Deckel auf ist? Das willst du doch nicht verpassen, oder? Und vielleicht wäre es nicht schlecht, mal kurz anzuhalten und mich ans Steuer zu lassen, du hast ja keinen Führerschein.«
»Ich hab ihn im Visier!«, presste Grandma hervor, übers Lenkrad gebeugt, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen.
Spiro bog rechts ab, Grandma nahm die Verfolgung auf und ging rasant in die Kurve. Einen Häuserblock weiter fuhr Spiro abermals nach rechts. Grandma blieb dran, und nach zweimaligem Abbiegen waren wir wieder auf der Hamilton, kurz vor dem Beerdigungsinstitut.
»Das ist ja praktisch«, freute sich Grandma. »Mal sehen, ob Joseph schon auf uns wartet.«
»Lass das mal lieber«, widersprach ich. »Er wird nicht begeistert sein, wenn er dich hinterm Lenkrad sieht. Schließlich ist er Bulle. Er nimmt Menschen fest, die ohne Führerschein fahren.«
»Mich kann er nicht festnehmen. Ich bin eine alte Dame. Ich habe Rechte. Außerdem gehört er praktisch zur Familie.«
Stimmte das? Gehörte Morelli praktisch zur Familie? Hatte ich ihn versehentlich zwischendurch geheiratet?
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Spiro und merkte, dass Grandma den Abstand verringert hatte. Wir waren nur noch ein Auto hinter ihm. Wir schaukelten am Beerdigungsinstitut vorbei, wo Morelli mit in die Hüften gestemmten Händen am Straßenrand stand. Er schüttelte nur den Kopf, als wir vorbeisausten. War bestimmt besser, seine Gedanken nicht zu erraten … wir schienen dabei jedenfalls nicht gerade gut wegzukommen.
»Ich weiß, ich hätte anhalten müssen, um das mit dem Deckel rauszufinden«, sagte Grandma, »aber ich will den Typ nicht verlieren. Ich weiß nicht, warum ich ihn verfolge, aber ich kann einfach nicht aufhören.«
Spiro brauste drei Häuserblocks weiter und drehte dann, fuhr die Hamilton zurück. Das Auto zwischen uns bog ab. Als Spiro sich dem Beerdigungsinstitut näherte, hing Grandma direkt an seiner Stoßstange. Er blinkte rechts, und dann ging alles wie in Zeitlupe: Spiro raste auf den Bürgersteig und pflügte in die Gruppe von Männern, die dort stand. Entsetzen und Panik. Spiro traf zwei mir unbekannte Männer – und Morelli. Einer der Männer wurde zur Seite geschleudert, der andere rollte über die Motorhaube. Morelli wurde vom vorderen rechten Kotflügel von Spiros Geländewagen getroffen und landete auf dem Boden.
Wahrscheinlich hätte ich Spiro verfolgen sollen, aber ich handelte, ohne nachzudenken. Noch ehe Grandma den Wagen zum Stehen gebracht hatte, sprang ich hinaus und lief zu Morelli. Er lag auf dem Rücken. Seine Augen waren geöffnet, das Gesicht war weiß.
Ich fiel auf die Knie. »Alles in Ordnung?«, fragte
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