Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
Paradies! Bestimmt hält sie es für total ungerecht, dass ich hier stehe und nicht sie!
»Livi!«, wiederholt Tessa immer noch ziemlich sprachlos.
Tom, der jetzt mit energischen Schritten angestapft kommt, ist da weniger auf den Mund gefallen. »Seid ihr alle verrückt geworden? Was ist denn hier los? Und warum heulst du so, Olivia? Du bist doch großartig! Nur dein Make-up ist jetzt total im Eimer. – Obwohl das vorher auch schon reichlich suboptimal war.« Der letzte Satz geht mit einem vorwurfsvollen Seitenblick rüber zu Brüno.
»Hm«, macht Brüno, »ja, das dachte ich auch schon.«
Tessa guckt von einem zum anderen, dann prüfend zu mir rüber, strafft ihre Schultern und man merkt, wie wieder Leben in sie kommt. Anscheinend hat sie sich von der Überraschung erholt. Dann streicht sie sich ihre Locken mit gekonnter Pose aus dem Gesicht und sagt schließlich ohne eine Spur von Unsicherheit: »Meiner Schwester stehen diese harten Töne nicht. Sie braucht weichere Schattierungen. Darf ich mal?«
Und mit einer ihrer unnachahmlich beinharten Lächelattacken mitsamt dem dazugehörigen Wimperngeklimper und dem dezenten Hüftwackeln nimmt sie Brüno einfach seinen Schminkkasten aus der Hand, schiebt mich zu einem Klappstuhl und beginnt ihr Werk. »Keine Sorge, Livi! Das haben wir gleich. In drei Minuten wirst du fan-tas-tisch aussehen!«
Sie strahlt mich so überzeugend und lieb an, dass mir beinahe noch mal die Tränen kommen. Oh, tut das gut, meine große Schwester hier neben mir zu haben!
Tom und Brüno starren Tessa verblüfft an. So viel Frechheit haben sie vermutlich noch nicht oft gesehen.
Ich kann direkt spüren, wie Tessa die beiden um den Finger wickelt, ohne auch nur noch einen Satz zu sagen. Und in diesem Moment finde ich diese Fähigkeit von ihr weder nervig noch peinlich. Nein, in diesem Moment bin ich richtig, richtig stolz auf meine Schwester. Ist sie nicht einfach toll?
Als Tessa fertig ist, brauche ich wieder keinen Spiegel. Ich bin absolut sicher, dass sie mich so gut hingekriegt hat, wie es nur eben möglich ist.
Auch Brüno und Tom scheinen das zu finden. Denn Tom schaut mich zum ersten Mal heute richtig glücklich an, und Brüno hat die Lippen zusammengekniffen, aber kann nicht anders, als Tessa zu loben. »Ja, das sieht ziemlich gut aus.«
»Das sieht perfekt aus!«, ruft Tom. »Endlich!«
Und los geht es wieder mit dem ganzen Lichtgefummel und Hochgegucke und Runtergegucke. Nur dass jetzt meine Schwestern da sind und mich anfeuern, wenn ich müde werde.
Tom sagt fast überhaupt nichts mehr, sondern grinst nur zufrieden.
Und dann will er plötzlich, dass meine Schwestern auch mit rauf auf das Bild sollen. Weil der Hintergrund immer noch zu langweilig ist.
Wohlgemerkt, der Hintergrund! Nicht ich! Nein, mich hat er jetzt schon mindestens dreimal gelobt! Vielleicht hält er mich tatsächlich für hübsch?
Irgendwie fühlt sich alles plötzlich wieder gut an und richtig. In den Pausen grinse ich glücklich zu Gregory rüber und der hält den Daumen hoch und quatscht dann weiter mit Javier und Ramón, weil Tom zwar meine Schwestern, aber leider keine Jungs im Bild haben möchte. Was die drei aber nicht weiter zu stören scheint.
Habe ich mich je über zu wenig Unterstützung von meiner Familie beklagt? Was würde ich ohne meine Schwestern nur machen!
Kenny ist die Einzige, die nicht richtig bei der Sache ist. Ständig erinnert sie uns an Aurora und wird von uns auf später vertröstet. »Wir suchen ja gleich weiter, aber erst mal müssen wir Livi hier helfen, ja?«
»Und wenn Aurora auch unsere Hilfe braucht?«
»Wir haben sie doch schon überall gesucht, Kenny! Und wenn das Shooting zu Ende ist, gehen wir alle zusammen zur Hühnerfabrik und stellen den Kerl zur Rede. Versprochen!«
Das scheint Kenny aber nicht schnell genug zu sein. Deswegen macht sie auf den Fotos nur Faxen, streckt die Zunge raus oder schneidet andere bitterböse Grimassen.
Zum Glück findet Tom, dass das die Bilder nur interessanter macht. »Tolle Schwestern hast du!«
Ja, das finde ich auch.
Mann, was wäre vorhin wohl passiert, wenn meine Schwestern nicht aufgetaucht wären? Dann hätte ich ganz
sicher meine Sachen gepackt und auf das schöne Geld verzichtet und hätte auch nie erfahren, dass ich wirklich – äh – hübsch bin.
Ähm, bin ich das?
»Super, Olivia! Großartig!«, brüllt Tom hinter seiner Kamera. »Ja, jetzt darfst du lächeln! Los, mehr! Ja! Zauberhaft, diese rotblonden Haare und
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