Die Chirurgin
der Wohnung.«
»Gut geraten.«
»Nein. Anruferkennung. Es ist Mitternacht. Haben Sie mal darüber nachgedacht, was Sie da tun?«
Gereizt entgegnete er: »Warum haben Sie mich angepiepst?«
»Hört sie mit?«
Er sah, wie Catherine die Küche verließ. Ohne sie wirkte der Raum plötzlich leer. Ohne jeglichen Reiz. »Nein«, sagte er.
»Ich habe über diese Haare nachgedacht. Wissen Sie, es gibt noch eine weitere Erklärung, wie sie daran gekommen sein könnte.«
»Und die wäre?«
»Sie hat sie an sich selbst geschickt.«
»Ich kann nicht glauben, was ich da höre.«
»Und ich kann nicht glauben, dass Sie nie auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen haben.«
»Was sollte denn das Motiv sein?«
»Das gleiche Motiv, das Männer dazu treibt, in ein Polizeirevier zu spazieren und Morde zu gestehen, die sie nie begangen haben. Sehen Sie sich doch einmal an, wie viel Aufmerksamkeit ihr plötzlich geschenkt wird! Ihre Aufmerksamkeit, Moore. Es ist Mitternacht, und Sie sind bei ihr und glucken um sie herum. Ich sage ja nicht, dass der Chirurg sich nicht in ihrer Nähe herumgetrieben hat. Aber bei dieser Geschichte mit den Haaren mache ich doch erst mal einen Schritt zurück und sage mir Moment mal. Es ist Zeit, dass wir uns überlegen, was hier vielleicht sonst noch so abläuft. Wie ist der Chirurg an diese Haare gekommen? Hat Capra sie ihm vor zwei Jahren gegeben? Wie konnte er das, wenn er doch tot im Schlafzimmer lag? Ihnen sind die Widersprüche zwischen ihrer Aussage und Capras Autopsiebericht aufgefallen. Wir wissen beide, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hat.«
»Detective Singer hat diese Aussage aus ihr herausgekitzelt.«
»Sie glauben, er hat ihr die Geschichte untergeschoben?«
»Bedenken Sie doch, unter welchem Druck Singer stand. Vier Morde. Alles schreit nach einer Verhaftung. Und er hat eine hübsche, saubere Lösung parat: Der Täter ist tot, erschossen von der Frau, die sein nächstes Opfer werden sollte. Catherine hat den Fall für ihn abgeschlossen, selbst wenn er ihr dafür die Worte in den Mund legen musste.«
Moore schwieg einen Moment. »Wir müssen unbedingt wissen, was in dieser Nacht in Savannah wirklich passiert ist.«
»Sie ist die Einzige, die dort war. Und sie behauptet, sich nicht an alles zu erinnern.«
Moore hob den Kopf, als Catherine in die Küche zurückkam. »Noch nicht.«
14
»Sind Sie sicher, dass Dr. Cordell dazu bereit ist?«, fragte Alex Polochek.
»Sie ist hier und wartet nur auf Sie«, erwiderte Moore.
»Sie haben sie nicht dazu überredet? Hypnose funktioniert nämlich nur, wenn das Subjekt sich nicht dagegen sträubt. Sie muss sich voll und ganz darauf einlassen, sonst ist das Ganze reine Zeitverschwendung.«
Reine Zeitverschwendung – so hatte Rizzoli bereits diese Sitzung bezeichnet, und nicht wenige der übrigen Detectives in der Mordkommission teilten diese Ansicht. Für sie war Hypnose ein Salonkunststück, das in den Zuständigkeitsbereich von Las-Vegas-Entertainern und Varietézauberern fiel. Moore war auch einmal dieser Meinung gewesen.
Der Fall Meghan Florence hatte ihn eines Besseren belehrt.
Am 31. Oktober 1998 war die zehnjährige Meghan auf dem Nachhauseweg von der Schule gewesen, als ein Auto neben ihr angehalten hatte. Sie war nie wieder lebend gesehen worden.
Der einzige Zeuge der Entführung war ein zwölfjähriger Junge, der in der Nähe gestanden hatte. Obwohl der Wagen deutlich zu sehen war und er seine Form und Farbe wiedergeben konnte, erinnerte er sich nicht mehr an das Kennzeichen. Wochen später, nachdem die Polizei in dem Fall keinen Schritt weitergekommen war, hatten die Eltern des Mädchens darauf bestanden, einen Hypnotherapeuten zu engagieren, der den Jungen befragen sollte. Da die Ermittlungen tatsächlich in einer Sackgasse steckten, hatte die Polizei schließlich widerstrebend eingewilligt.
Moore war während der Sitzung anwesend. Er sah zu, wie Alex Polochek den Jungen behutsam in Hypnose versetzte, und er hörte voller Erstaunen, wie der Junge mit ruhiger Stimme die Nummer des Wagens aufsagte.
Zwei Tage später wurde Meghan Florence’ Leiche gefunden. Der Entführer hatte sie in seinem Garten vergraben.
Moore hoffte, dass der wundersame Einfluss, den Polochek auf das Gedächtnis des Jungen ausgeübt hatte, nun auch bei Catherine Cordell zum Tragen kommen würde.
Jetzt standen die beiden Männer im Nebenzimmer des Vernehmungsraums und beobachteten Catherine und Rizzoli durch den Einwegspiegel. Catherine
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