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Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Anführer zu sprechen. Die meisten Männer waren draußen und beruhigten die Hunde. Auf der anderen Seite des Feuers suchten die Frauen ihre weinenden Kinder zu trösten und warfen Renn hin und wieder furchtsame Blicke zu.
    Sie zitterte zwar nicht mehr, kam sich jedoch leer und ausgehöhlt vor, wie immer, wenn sie eine Vision gehabt hatte. Diese hier war noch deutlicher und schlimmer gewesen als alle Visionen zuvor. Stumpf blickte sie in die schwelende Glut. Von der Asche, die Eostra wie bei einem Totenritual über Torak gestreut hatte, war nichts mehr zu sehen.
    »Erzähl mir, was du gesehen hast.« Seine Stimme war so leise, dass nur Renn ihn hören konnte.
    Zögernd berichtete sie ihm, was geschehen war. Dass Eostra plante, sich zur Herrin der Ruhelosen Toten aufzuschwingen und zur Seelenwanderin. »Sie will deine Weltseele verschlingen, auf ihr beruht deine Macht. Sie will sie verschlingen und deine Überreste ausspeien. Dann ist sie ein Seelenwanderer und kann von einem Körper in den anderen wechseln. Sie wird unsterblich sein.«
    »Und ich werde sterben.«
    Sie blickte ihn an. »Nein, es ist noch schlimmer. Du wirst nicht sterben. Du gehörst zu den Verlorenen.«
    »Zu den Verlorenen? Was bedeutet das?«
    Sie holte tief Luft. »Wenn du deine Weltseele verloren hast, bist du immer noch du selbst – im Besitz deiner Namensseele und deiner Clanseele –, hast aber keine Verbindung mehr zu unserer Welt. Du treibst durch das Dunkel hinter den Sternen, in der endlosen Nacht. Du wirst ewig leben und bis in alle Ewigkeit einsam sein.«
    Im Torffeuer wirbelte ein glühender Funke auf.
    Torak nahm den Arm von ihrer Schulter und beugte sich weit vor, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte. »Als ich geschlafwandelt bin, da war um mich nur furchtbare, gähnende Leere. Ich war im Nichts. Du warst erschüttert, als ich dir davon erzählt habe. Das ist der Grund dafür, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Warum habe ich es schon damals gespürt?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hat sie irgendeinen Zauber versucht. Keine Ahnung.«
    Mit zitternder Hand strich er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Droht jedem dieses Schicksal? Oder hat es mit mir zu tun?«
    »Ich glaube … ich glaube, du bist besonders gefährdet. Du bist der Seelenwanderer. Außerdem…«, sie hielt zögernd inne, »außerdem hast du deinen Schwur gebrochen.«
    Er wartete, bis sie fortfuhr.
    »Du hast bei deinem Messer, deinem Medizinhorn und deinen drei Seelen geschworen, den Robbenjungen zu rächen. Als du den Schwur gebrochen hast, könnte sich die Verbindung zwischen ihnen geschwächt haben.«
    Er starrte schweigend in die Glut.
    »Eines darfst du trotzdem nie vergessen«, sagte Renn energisch. »Eostra will, dass es so geschieht, aber das bedeutet nicht, dass es geschehen muss! Wir lassen es einfach nicht zu! Wir kämpfen gemeinsam dagegen an.«
    Torak warf ihr einen rätselhaften Blick zu.
    Das erste Licht des Tages fiel durch den Eingang, als Krukoslik hereinkam und den Schnee von seinen Stiefeln schüttelte.
    »Die Entscheidung ist gefallen«, verkündete er. »Wir führen euch bis zur Schlucht des Verborgenen Volkes, aber nicht weiter. Von dort an müsst ihr allein den Weg finden.«

Kapitel 21

    Torak blieb keine Zeit, um alles zu begreifen, was Renn ihm erzählt hatte. Das gesamte Lager erwachte mit einem Schlag zu reger Geschäftigkeit. Alles wuselte durcheinander, legte den Hunden ihre Zuggurte an und traf allerlei Vorbereitungen, um die Schlitten fahrtüchtig zu machen.
    Torak und Renn bekamen »ordentliche Kleidung für die Berge«. Als Torak nach dem Umziehen ins Freie trat, war der Himmel bedeckt, die Berggipfel waren nicht zu sehen. Trotzdem empfand er ihre bedrückende Gegenwart überdeutlich in seiner Brust.
    Renn tauchte ebenfalls auf und fühlte sich sichtlich unwohl in den neuen Kleidern. Sie trugen jetzt beide ein Wams und Hosen aus Tauchvogelgefieder zum Unterziehen, das sich warm an ihre Haut schmiegte, bis zu den Waden reichende Umhänge aus weichem Rentierfell und breite Ledergürtel, dazu Socken und ein zusätzliches Paar Fäustlinge aus weichem, locker gewebtem Material, das die Mitglieder des Schwanclans als Moschusochsenwolle bezeichneten; darüber hinaus hatten sie hohe Stiefel und Fäustlinge aus dem besonders widerstandsfähigen Stirnleder von Rentieren angelegt.
    An dieser aufwendigen Kleidung musste tagelang gearbeitet worden sein. Als Torak eine entsprechende Bemerkung fallen ließ, warf Renn ihm einen

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