Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)
mit seiner, Toraks, Suche nach der letzten Seelenesserin verknüpft. Nein. Er durfte Fa nicht im Stich lassen.
Während er noch mit langem Hals den Berg betrachtete, befiel ihn mit einem Mal grenzenlose Einsamkeit. Er brauchte Wolf.
Er legte die Hände an die Lippen und heulte nach seinem Rudelgefährten.
Das Echo wand sich in die Schlucht des Verborgenen Volkes, wurde nach und nach schwächer und verstummte schließlich.
Nach einer Weile heulte jemand zurück.
Das war nicht Wolf.
Juksakai kam auf ihn zugerannt, die bleichen Augen weit aufgerissen vor Furcht. »Was war das?«
»Ich weiß nicht«, sagte Torak. Sein Blick wanderte aufmerksam über das dunkler werdende Lager. »Juksakai«, sagte er plötzlich. »Wo steckt Renn?«
Kapitel 22
Was war das? , dachte Renn.
Nicht Wolf. Nicht einmal ein Wolf. Ein Hund? Kein Hund gab solche Laute von sich. Dank sei dem Geist, dass es so weit entfernt war.
Hastig zog sie ihre Beinlinge hoch.
Es hatte schon gedämmert, als sie losgezogen war, aber jetzt konnte sie kaum mehr die Hänge der Schlucht erkennen. Die Nacht bricht schnell heran im Schwarzdornmond. Daran hätte sie denken sollen.
Mit leisem Ärger wurde ihr klar, dass sie in die falsche Richtung ging. Diese wuchtigen, aufeinanderliegenden Felsplatten: Die hatte sie vorhin nicht gesehen.
Missmutig drehte sie um und ging zurück. Es war dumm gewesen, sich so weit vom Lager zu entfernen; sie hätte nur den Fluss hinuntergehen müssen, schon hätte man sie nicht mehr gesehen. Die Schwäne hatten sie eigens dazu angehalten, ihren Weg zu markieren, falls sie alleine loszog. »Man verirrt sich leicht in den Bergen, besonders ein Mädchen aus dem Wald.« Sie hatte es nicht für nötig gehalten. Jetzt sah es ganz so aus, als hätten sie recht gehabt.
Renn hatte keine Angst. Es war noch nicht völlig dunkel und das Lager musste ganz in der Nähe sein. Sie wollte Torak nur keine Gelegenheit geben, sie aufzuziehen.
Sie beeilte sich, aus der Klamm herauszukommen, und rutschte auf einem schwarzen Stück Eis aus. Fast wäre sie dabei hingefallen. Vielleicht war es doch besser, sich diese Blöße zu geben. »Torak!«, rief sie.
Keine Antwort.
»Komm schon, Torak, das ist nicht lustig! Ich muss wissen, wo du bist!«
Keine Antwort. Nur das verstohlene Fauchen des Windes und die verhaltene Wachsamkeit der Steine.
Beklommen dachte Renn daran, dass die Schwäne ihr Lager am rauschenden Bach aufgeschlagen hatten. Torak würde sie nicht hören.
Und dumm wie sie war, hatte sie niemandem gesagt, wo sie hingegangen war.
Wieder durchbrach ein Heulen die Stille. Diesmal viel näher.
Die feinen Haare auf ihrem Unterarm stellten sich auf. Sie lauschte dem verklingenden Echo hinterher.
Dann eine geheulte Antwort, die in ein kurzes, zweimaliges Bellen überging. Sie lief stolpernd über lose Geröllhaufen. Das musste der richtige Weg sein.
Sackgasse.
Hastig rannte sie zurück. Die Fäustlinge rutschten ihr von den Händen und blieben baumelnd an den Schnüren hängen wie gefangene Vögel. Ihr Atem ging jetzt panisch und laut.
Dunkelheit umfing sie. Sie blieb stehen, um zu lauschen.
Kein Geheul, kein kurzes, die Richtung anzeigendes Bellen. Das machte es noch schlimmer. Was auch immer hinter ihr her sein mochte … es schlich sich geräuschlos an. So wie Jäger es eben tun.
Sie prallte gegen einen Felsen. Als sie den Kopf in den Nacken legte, sah sie das Funkeln der Sterne. Sie spürte den wütenden Blick des Großen Auerochsen auf sich. Nun bekam sie es richtig mit der Angst zu tun. Was hatte Eostra da erschaffen?
Irgendwo rieselten klackernd Kieselsteine herab.
Sie spähte angestrengt in die Dunkelheit hinein und konnte links und rechts steile Hänge ausmachen. Also befand sie sich wieder in der Schlucht. Um sie herum tanzten schummrige Schatten und verschmolzen ineinander.
Hoch oben löste sich etwas aus der Dunkelheit. Renn ahnte mehr, als dass sie tatsächlich sah, wie es den Kopf hob und witternd die Luft einsaugte.
Sie floh, sprang über Geröll, eilte taumelnd über Felsbrocken. Die Steine schauten ihr dabei zu.
Ihr Fuß blieb in einer schmalen Spalte stecken; Schmerz durchflutete ihren Knöchel, sie fiel hin. Sie konnte nicht mehr rennen, konnte ihn nicht belasten.
Hinter sich hörte sie das Klackern von Krallen.
Versteck dich. Das ist deine einzige Chance.
Sie tastete umher, fand eine Öffnung und kroch hinein. Ihren verletzten Fuß zog sie hinter sich her. Mit zitternden Fingern suchte sie etwas, mit dem
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