Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)
ein stotterndes Gelächter aus. »Ein Stein hat die Maskierte zweigeteilt wie eine Wespe! Wo ist eigentlich Narik?«
Fin-Kedinn rückte näher. »Komm mit uns ins Lager, Narrander, dort ist es warm. Wir kümmern uns um dich.«
Der Streuner zog seine verrottenden Tierhäute enger um sich und winkte ab. »Narik und der Streuner gehen in ihr hübsches Tal. Die kümmern sich schon um sich selbst.«
Fin-Kedinn legte seufzend sein Bündel ab. »Kleider. Essen. Das ist alles für dich, alter Freund.«
»Kleider, Essen«, machte der Streuner ihn nach. »Aber wo ist Narik?«
Fin-Kedinn zögerte. »Narik ist im großen Feuer gestorben«, sagte er mitfühlend. »Das weißt du doch … Dein Sohn ist gestorben.«
Torak sah ihn an.
»Ah, da ist Narik ja!«, rief der Streuner und zog eine verschlafene Schneemaus aus seinem Wams.
»Streuner«, sagte Torak langsam. »Du hast mir einmal erzählt, dass du dein Auge bei einem Unfall verloren hast, beim Bearbeiten von Feuerstein. Hast du es in dem großen Feuer verloren, damals, als mein Vater den Feueropal zerschlagen hat?«
Der alte Mann streichelte die Maus mit einem schwarzen Finger. »Es ist einfach rausgesprungen«, summte er, »und dann hat’s ein Rabe aufgefressen. Raben mögen Augen.«
Fin-Kedinn sah ihn ernst an. »Du hast Nariks Tod gerächt. Du hast geholfen, den Schrecken der Adlereulenschamanin zu beenden. Komm mit uns. Komm zur Ruhe.«
Der alte Mann summte weiter, als hätte er ihn nicht gehört.
Fin-Kedinn gab Torak ein Zeichen. Es war Zeit zu gehen. Zum Streuner sagte er: »Lebwohl, Narrander. Möge der Clanhüter mit dir schwimmen.«
Als sie sich erhoben, streckte der Streuner eine Klaue aus und hielt Torak zurück. Sein Griff war eisern. Torak bekam einen Schwall fauligen Atem ab und sah in dem einen Auge etwas aufblitzen, wie eine Elritze in einem dunklen Teich. »Der Wolfsjunge hat Sorgen, hä? Seelenfetzen hängen an seinem Geist fest? Der Große Wanderer, der Wald, die Maskierte? Er ist wie der Streuner, ja, er ist zu dicht drangekommen, deshalb muss er immer weitergehen!«
Torak riss sich mit einem Aufschrei los. Der Streuner lachte röchelnd und fing an zu husten.
Sie ließen ihn im Mondschein unter den geborstenen Bäumen zurück, wo er die Schneemaus an seine Brust drückte.
Den ganzen Weg zu den Fallen hinunter sagte keiner von beiden ein Wort. Als sie dort ankamen, fanden sie drei Moorschneehühner und zwei Hasen steifgefroren im Schnee liegen. Fin-Kedinn rupfte eines der Schneehühner, während Torak ein Feuer machte und einen flachen Stein hineinlegte. Fin-Kedinn schnitt das Schneehuhn in Stücke und legte es auf den Stein. Als sie gegessen hatten, schärfte er sein Messer an einer Geweihsprosse.
Erst nach einer Weile sagte er: »Ich habe dir einmal erzählt, dass der siebte Seelenesser im Feuer gestorben ist. Ich habe dir das erzählt, weil ich Narrander geschworen habe, niemandem zu verraten, dass er überlebt hat.«
Torak nahm es schweigend zur Kenntnis. Dann sagte er, »Narik. Ist sein Sohn ?«
Fin-Kedinn antwortete nicht gleich. Dann erzählte er die Geschichte, die ihm Toraks Vater an dem Abend erzählt hatte, nachdem es passiert war.
»Narik war acht Sommer alt, als Narrander sich den Heilern anschloss. Narrander wollte sich schon bald wieder von ihnen lossagen, aber das haben sie nicht zugelassen. Er war stur. Um ihn zum Gehorsam zu zwingen, hat sich die Adlereulenschamanin Narik geschnappt.« Er schüttelte den Kopf. »In der Nacht der Seelen hat dein Vater sie alle auf dem späteren Verbrannten Berg zusammengerufen. Er hat das große Feuer entfacht. Hat den Feueropal zerschlagen. Der Robbenschamane hat schreckliche Verbrennungen erlitten. Der Streuner hat ein Auge verloren. Sie sind alle mit dem Leben davongekommen … bis auf Narik. Er war gefesselt, die Maskierte hatte ihn irgendwo versteckt. Sein Vater hat die Leiche gefunden. Er ist vor Trauer verrückt geworden.«
Funken stoben. Eine graue Eule flog auf ihrem Weg zur Jagd mit leisem Rauschen vorüber.
Torak hob den Kopf und sah, wie die Lichter des Ersten Baums verblassten, während allmählich der Morgen dämmerte. Er dachte an Narik und Narrander, an seinen Vater und seine Mutter; und an die begnadeten, aber schändlichen Schamanen, die zu Seelenessern geworden waren. So viel Leid. Und wozu?
»Es ist vorbei, Torak«, sagte Fin-Keddin leise.
»Ich weiß. Aber ich habe gedacht… ich dachte nur … es würde mir jetzt besser gehen.«
»Das dauert.«
»Wie
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