Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
Vom Netzwerk:
hier die Erde Luft und die Luft etwas wofür es keinen Namen gab.
    Ich trat zurück und schüttelte den Kopf. Nein, das machte keinen Sinn. Das hier waren keine Wurzeln, das war  …
    Etwas traf mein Gesicht und ich spürte, wie meine Lippe aufplatzte. Der süße Geschmack meines Bluts brachte mich wieder zur Besinnung. Jemand hatte mich geschlagen. Drigg? Ja, es war der Magier. Er versuchte mir etwas zu sagen. Ich fand den Schmerz in meiner Lippe und von dort aus fand ich zurück ins Hier und Jetzt.
    „Folgt meinen Fußspuren. Bleibt dicht hinter mir. Versucht nicht darüber nachzudenken, was ihr seht, wenn ihr die Grenze überschreitet. Blickt nicht direkt ins Feuer. Mein Meister ist ganz in der Nähe.“, sagte Drigg eindringlich. „Wenn ihr anfangt darüber nachzudenken wird es euch den Verstand rauben.“
    „ Was ist … ?“, begann ich zu fragen und verstummte, als ich den Blick des Magiers sah und den Klumpen in meinem Magen spürte.
    Ich werde nie vergessen, wie wir durch dieses unsichtbare Labyrinth gingen, das sich vor uns ausbreitete. An manchen Stellen war die Wirkung des Fremden auf der anderen Seite so stark, dass ich die Augen schließen musste, um nicht in ihren Bann gezogen zu werden. Dann wieder gab es Flecken an denen diese Wirkung so schwach war, dass wir mitten hindurchlaufen konnten ohne dem Sog zu erliegen. Und dann war es vorbei. Ein Geröllfeld, durchzogen von tiefen Rissen breitete sich vor uns aus und in der Ferne ragte wie ein in den Boden gerammter Speer ein Turm in den Himmel auf.
    Die Art und Weise wie Drigg zur Spitze des Turms hinaufblickte genügte mir, um zu wissen, dass sich dort die Flamme befinden musste.
    Als wir innehielten, um eine Route zu finden, auf der wir eine besonders breite Spalte im Boden umgehen konnten, hatte sich der Himmel düster orange gefärbt. Drei Sonnen standen am Firmament, zumindest schien es so. Eine im Westen, bei der es sich wohl wirklich um die Sonne handelte, die glühende Spitze des Turmes im Norden und ein an den Netzhäuten schabendes Glühen im Osten über dem Meer. Für den Weltuntergang hätte es keine passendere Atmosphäre geben können.
    Aber die Welt ging nicht unter. Nur beinahe.
    Ein Schwarm wie von Schimmel schimmernder Schatten sprang uns plötzlich aus der Spalte entgegen, stürzte sich auf uns und riss an unseren Gliedern. Drigg und ich gingen auf der Stelle zu Boden und versuchten die Angreifer abzuschütteln, indem wir uns hin- und herwälzten, aber ich konnte hören, wie der Halken und Hund den Angreifern erfolgreicher Paroli boten. Etwas flog an meinem Gesicht vorbei und blieb zuckend im Geröll liegen.
    Und dann sprach eine zarte Stimme wie eine Silberglocke inmitten eines Sturms. Der Schwarm ließ von uns ab und verschwand so schnell zurück in der Spalte wie er gekommen war.
    Stöhnend richtete ich mich auf und untersuchte meinen Körper auf Verletzungen. Meine Ellenbogen waren aufgeschürft aber ansonsten war ich unverletzt. Auch die anderen waren in Ordnung.
    Ich drehte den Kopf, um zu sehen, wer uns zu Hilfe gekommen war und sah eine wild zusammengewürfelt aussehende Gruppe von nackten Menschen auf uns zukommen. Auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass zwischen den jungen und alten Männern und Frauen eine starke Familienähnlichkeit bestand, die deutlich in ihren Gesichtern zu sehen war, auch wenn sie vom Körperbau nicht viele Gemeinsamkeiten hatten. Es gab einen Dunkelhäutigen, ein kleines Albinomädchen und einen fetten Mann mit gefleckter Haut. Mehr als ein Dutzend Leute starrte uns über die Spalte hinweg an. Sie blieben stehen und das Albinomädchen trat vor. An der einen Hand hielt sie eine alte Frau, deren Ohren so lang und schlaff waren, dass sie wie ein Teil einer hässlichen Mütze wirkten. An der anderen Hand hielt sie den dunkelhäutigen Mann. Er war wie die anderen nackt und so konnte ich sehen, dass es sich bei ihm um einen Kastraten handelte.
    „ Drigg.“, sagte der Kastrat mit einer Mischung aus Erleichterung und Wehmut in seiner tönenden Stimme. „Du hast mich gefunden.“
    Drigg öffnete und schloss seinen Mund ein paar Mal, ohne etwas herauszubringen.
    „Lass dich nicht von meiner Gestalt verwirren.“, fuhr der Kastrat fort. „Aus einem wurden viele. Diese Welt hat mir für viele meiner Eigenschaften einen eigenen Körper gegeben. Meine Stimme ist groß, dunkel und kräftig, scheint aber sämtlicher männlicher Attribute zu entbehren, während mein Gehör alt und vernachlässigt ist. Aber

Weitere Kostenlose Bücher