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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihr Geheimnis vielleicht noch viel größer war, als er angenommen hatte. Und schlimmer. »Man lernt diese Sprache nicht, indem man nur ein paarmal aufmerksam zuhört«, sagte er schließlich geradeheraus. Muridas Gesicht lag im Schatten, sodass er ihre Reaktion nicht erkennen konnte, aber er meinte das spöttische Aufblitzen ihrer Augen regelrecht spüren zu können. Doch dann schüttelte sie heftig den Kopf. Ihr Haar flog. »Sharif hat es mich gelehrt«, sagte sie. »Sharif spricht Deutsch?« Leicht bestürzt fragte Andrej sich, was Abu Dun und er in dieser Sprache miteinander in Sharifs Gegenwart beredet hatten. Er wusste es nicht mehr, aber gewiss mehr, als gut war.
    »Und außerdem Englisch, Spanisch und ein wenig Französisch«, bestätigte Murida, wobei sie jedes Wort in der jeweiligen Landessprache aussprach. »Er hat es mich gelehrt. Er war der Meinung, dass es nie schaden könne, Dinge zu lernen.«
    Andrej starrte sie nur an. Murida deutete sein Schweigen falsch, denn sie fuhr mit einem leisen Lachen fort: »Er hat mir auch beigebracht, dass es immer gut ist, ein bisschen unterschätzt zu werden.«
    »Dann hattest du … einen wirklich guten Lehrer«, sagte er stockend. »Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen sollte?«
    »Eine Menge«, antwortete Murida lachend. »Aber ist das nicht die zweite Eigenschaft, die ihr Männer an uns Frauen liebt? Dass wir immer ein bisschen geheimnisvoll bleiben?«
    Andrej seufzte nur lautlos. Wenn die junge Frau sich vorgenommen hatte, ihn weiter zu ärgern und mit ihm zu spielen, so hatte sie eines der beiden Ziele längst erreicht.
    Die Genugtuung, auch das zweite zu erreichen, würde er ihr nicht gönnen.
    Jedenfalls noch nicht.
    Abu Dun kam zurück, laut polternd und mit einem anzüglichen Grinsen, als er abwechselnd ihn und Muridas schlanke Silhouette ansah. »Hinten gibt es noch eingerichtete Zimmer«, sagte er. »Sie sind sogar erstaunlich sauber, jedenfalls wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Das hier war einmal ein ansehnliches Haus – auch wenn seine besten Zeiten schon lang vorbei sind.«
    »So lange liegen sie noch gar nicht zurück«, erwiderte Murida. »Die guten Zeiten dieses ganzen Landes sind vorbei, seit Süleyman es mit seinem verdammten Krieg ausblutet.« Sie zeigte in die Dunkelheit hinein. »Seht euch nur um. Noch zwanzig Jahre, und es wird überall im Land so aussehen, wenn ihn niemand aufhält. Vielleicht wird Sultan Süleyman ja wirklich die ganze Welt erobern, doch wenn, dann wird es eine Welt aus Hungerleidern und Ruinen sein, über die er herrscht!« Abu Dan wollte etwas darauf erwidern, doch Andrej brachte ihn mit einem mahnenden Blick zum Schweigen. Er verstand jetzt, was Sharif vorhin gemeint hatte. Im Augenblick sprach er nicht mit Murida, sondern einer Marionette des Machdi. Besser, er ließ sich erst gar nicht erneut auf diese Art von Diskussion ein. So leicht gab das Mädchen jedoch nicht auf. Sie schoss noch einen wütenden Blick in Abu Duns Richtung ab, wandte sich dann jedoch in fast beschwörendem Ton an Andrej. »Wenn dem Schwarzen sein eigenes Volk schon gleichgültig ist, dann denk du doch wenigstens an deines! Sieh dich um! Willst du, dass deine Heimat bald genauso aussieht? Willst du, dass die Städte und Häuser deiner Landsleute in Trümmer sinken und dass eure Kinder und deren Kinder in Sklaverei und Not aufwachsen?« »Wir haben keine Kinder«, sagte Abu Dun schmatzend. »Und was die Tyrannei angeht, so ist der Unterschied nicht so groß, wie du vielleicht glaubst, Mädchen«, fügte Andrej hinzu.
    »Aber ihr könnt doch nicht –«
    »Hinter der zweiten Tür gibt es ein Zimmer mit einem halbwegs sauberen Bett«, fiel ihr Abu Dun ins Wort. »Das Fenster ist vergittert, und Andrej und ich halten hier draußen Wache. Du solltest dich ausruhen. Wir haben noch einen anstrengenden Tag vor uns.«
    Murida ballte die schmalen Hände zu Fäusten, als wollte sie sich auf den Nubier stürzen, lief dann aber in die Dunkelheit hinein. Etwas klapperte, dann hörten sie einen Fluch und schließlich das Quietschen rostiger Angeln, gefolgt von einem dumpfen Knall.
    »Du weißt, wie man das Herz einer Frau erobert«, sagte Andrej.
    »Ich bin im ganzen Land berühmt als Herzensbrecher«, bestätigte Abu Dun, legte die Stirn in Falten und fügte leiser und in nachdenklichem Ton hinzu: »Oder war es Knochenbrecher?«
    Andrej tat ihm nicht den Gefallen, auf diesen lahmen Scherz zu reagieren, doch Abu Dun dachte ebenso wenig daran aufzuhören.

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