Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
»Das Bett dort hinten ist wirklich noch überraschend sauber, Hexenmeister«, sagte er. »Und auch breit genug für zwei, wenn man ein bisschen zusammenrückt.«
»Das reicht«, sagte Andrej mit warnendem Blick. Abu Dun wurde wieder ernst. »Dann mach es dir gemütlich, und ich sehe draußen nach dem Rechten«, sagte er. »Gib auf sie acht!«
»Und du meinst, das wäre nötig?«
»Du nicht?« Abu Duns Hand fiel mit einem hörbaren Klatschen auf den Griff des gewaltigen Krummsäbels, den er am Gürtel trug. »Erzähl mir nicht, dass dir dieser freundliche Ort mit seinen liebenswerten Eingeborenen kein Unbehagen bereitet. Ich mache meine Augen am Hinterkopf erst wieder zu, wenn wir möglichst weit weg sind.«
»Du fürchtest einen Hinterhalt?«
»Ich fürchte prinzipiell gar nichts«, behauptete der Nubier. »Ich wundere mich allenfalls, dass die guten Leute noch nichts getan haben, das Sharif gar nicht gefällt.«
Andrej sah zur Tür hin, durch die nur ein kleiner Ausschnitt des großen Platzes zu erkennen war. Niemand war zu sehen, nicht einmal Sharif und seine Männer. »Sie werden sich kaum mit einem halben Hundert Janitscharen anlegen, nur um ein paar Lebensmittel zu verteidigen.«
»Vielleicht hättest du doch mitkommen sollen«, sagte Abu Dun in plötzlich sehr ernstem Tonfall. »Dann hättest du auch gehört, was Sharif wirklich will.«
»Wasser und Nahrungsmittel.«
»Vorräte für fünfzig Männer und zwei Wochen«, präzisierte Abu Dun. »Der Alte sagt, das wäre alles, was sie für den Rest des Jahres haben, und ich glaube ihm.
Außerdem verlangt Sharif fünfzig Pferde, alle, die die guten Leute hier besitzen. Er bringt das Dorf um.
Vielleicht nicht mit Kugeln und Schwertern, aber das Ergebnis ist dasselbe. Die Hälfte der Leute wird vor der nächsten Ernte verhungern. Falls sie bis dahin überhaupt noch die Kraft haben, sie einzubringen, heißt das.« Er lachte kurz und hart. »Wie ich schon einmal gesagt habe: Er weiß, wie man sich Freunde macht. Und er hat deinen und meinen Namen oft genug erwähnt, damit sich der Dorfälteste auch ganz bestimmt daran erinnert.« »Warum sollte er das tun?«
Abu Dun hob die Schultern. »Warum fragst du ihn das nicht selbst?«
»Das werde ich«, antwortete Andrej. »Und zwar sofort.«
Kapitel 29
Als er wieder ins Freie trat, hatten die restlichen Männer das Dorfzentrum ebenfalls erreicht und begannen bereits damit, die von Sharif beanspruchten Vorräte zu requirieren, zwar schnell und ohne übermäßige Gewaltanwendung, aber zugleich auch so rücksichtslos und ohne Erbarmen, dass Andrej sich fragte, was sie noch von gemeinen Plünderern unterschied.
Jetzt sah er auch die ersten Einheimischen, fast ausnahmslos Frauen und Kinder und einige wenige und zumeist alte Männer, die sich verzweifelt an ihre ärmliche Habe klammerten, bettelten und weinten oder ihren Besitz mit schwächlicher Gewalt zu verteidigen versuchten. Ohne Erfolg. Doch zumindest schien Sharif seinen Männern eingeschärft zu haben, niemanden zu töten.
Andrej ergriff eine kalte Wut auf den Janitscharenhauptmann. Wie weit war es eigentlich schon mit ihnen gekommen, wenn er es schon positiv vermerkte, dass die Männer niemanden umgebracht hatten, sondern den Menschen lediglich die Vorräte stahlen, ohne die sie vor der nächsten Ernte verhungern mussten?
Er kam nicht dazu, Sharif diese Frage zu stellen, denn er fand ihn nicht, obwohl er jede einzelne Straße des kleinen Dorfes nach ihm absuchte. Die Mehrzahl der Häuser stand leer und begann bereits zu verfallen, und die wenigen Menschen, die er traf, flohen entweder vor ihm oder hielten seinem Blick mit dem mit Angst gemischten Trotz der Besiegten stand, der im Bruchteil eines Atemzuges zu Hass und Aggression werden konnte, wenn sich die äußeren Umstände auch nur um eine Winzigkeit änderten.
Schließlich führte ihn sein Weg zum Fluss hinab, wo er zwar nicht den Hauptmann fand, aber einen kleinen Hafen, in dem fünf Boote vertäut waren – zwei der ihnen schon hinlänglich bekannten Daus und drei kleinere Boote in ihm unbekannter und fremdartiger Bauart. Zwei von Sharifs Männern machten sich in ihrer Nähe am Ufer zu schaffen, einer mit einer brennenden Fackel bewehrt, der andere mit zwei bauchigen Tonkrügen in den Armen. Andrej erreichte sie gerade in dem Moment, als sie die erste Dau betreten wollten.
»Der Hauptmann sucht nach euch«, begann er übergangslos. »Ihr sollt zu ihm kommen, sofort.«
Der Soldat mit der Fackel
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