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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Schmiede gewesen war. Sie vermochte nicht zu erraten, welchem Zweck es jetzt diente. Neben der Schmiede lag ein freier Platz. Der Waffenhof, vermutete sie. Keine Fußspur zeichnete sich im Staub ab. Aus dem Gebäude rechts neben der Halle stieg Rauch in die Luft. Sorren starrte auf die Innere Mauer und fragte sich, wie alt sie sein mochte. Kendra-im-Delta war älter als die Grenzfesten, soviel wußte sie, doch die Wohnhäuser und Werkstätten und Hallen dort waren hundertmal immer wieder neu gebaut worden. Holz verrottete oder brannte nieder; Fensterschirme zerschlissen, Backsteine zerbröselten zu Staub. Die Mauern von Tornor waren sicher älter als irgend etwas, das in Kendra, ja im ganzen Süden noch stand.
    Sie spürte die Last des Vergangenen in dem Granit, sie sah sie in dem dunklen unversöhnlichen Stein. Mein Geschlecht ist hier umhergewandelt, dachte sie. Sie traten in die Große Halle. Die Fenster waren hier schmal und ließen nur kärgliches Licht durch, doch vermochte sie die hohen geschwungenen Balken der Decke zu erkennen, die Linien des riesigen Feuerkamins, die Wandbehänge. Sie waren schmutzverkrustet, beladen von dem Staub der Jahrhunderte; hier bäumte sich ein Pferd mit geblähten Nüstern; dort hob sich der Arm eines Mannes und schwang ein kaum mehr erkennbares Schwert.
    Ein Feuer züngelte im Kamin. Merith ging mit widerhallenden Stiefelschritten darauf zu. Vor dem Kamin, fast an der Kante des Kaminsockels, stand eine lange Tafel. Ein alter Mann stand daneben und setzte Eßgeschirr auf den Tisch. Sein Rücken war verwachsen, so daß eine Schulter höher stand als die andere, und seine Hände waren knotig und krumm wie Wurzeln. Er schaute den beiden Frauen unter buschigen grauen Brauen entgegen.
    Merith sprach: »Das ist Sark, der Majordomus von Tornor.«
    Der alte Mann knurrte etwas. Es mochte ein Gruß sein. »Das Mädchen ist immer noch draußen«, sagte er mit tiefgrollender Stimme.
    Meriths Lippen preßten sich zusammen.
    Sark warf Sorren einen langen prüfenden Blick zu. »Von woher kommt Sie?« fragte er Sorren.
    »Kendra-im-Delta.«
    »Sie wird sich waschen wollen.«
    »Dafür ist bereits gesorgt«, sagte Merith ungeduldig. »Sag Meg, sie soll sich mit dem Essen beeilen.« Der alte Mann schnaubte durch die Nase. Er stellte einen Teller ab und ging auf die Küche zu. »Du könntest deinen Reisepack ablegen, Sorren«, sagte Merith, indem sie sich auf einer der langen Bänke niederließ. Sorren lehnte ihren Wanderstab an den Tisch, löste die Tragriemen ihres Packs und ließ ihn im Niedersitzen von den Schultern gleiten. Sie streifte ihre Handschuhe ab und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Die Hitze des Feuers drang zu ihr herüber und ließ sie erschauern.
    Dieser trostlose Ort war nicht das, was sie geträumt hatte. Sie hatte sich Tornor Keep als eine kleine Stadt ausgemalt, voller Leben und Geschäftigkeit. Sie schloß die Augen, und die Erschöpfung breitete sich in ihren Adern aus. Sie versuchte einen Traum heraufzubeschwören, irgendeinen Traum. Hier, im Herzen von Tornor, mußte sich doch sicherlich eine Vision einstellen. Doch nichts geschah; die Wirklichkeit – Kälte, Schmutz, diese Leblosigkeit – überlagerte ihre Verbindung in die Vergangenheit. Was will ich hier? dachte sie. Warum bin ich hergekommen? Schmerzlich ertappte sie sich dabei, daß sie an Paxe dachte, auf Paxes Schritte lauschte, wartete – erwartete, daß sie gleich um die Ecke biegen würde ... Doch hier war keine Paxe. Paxe konnte nicht hier sein.
    Sie hob den Kopf, bemüht, die Tränen zurückzuhalten. Merith beobachtete sie. »Ich sehe, daß du müde bist«, sagte die Herrin auf Tornor.
    Sorren nickte wortlos. Auch Merith sah müde aus. Um ihre Augen standen strahlenförmig die Fältchen; es waren nicht die Zeichnungen des Alters, sondern jene tiefergehende, wie Angst und Anstrengung sie eingraben. Als sie sich die Jacke aufgeknöpft hatte, konnte Sorren auf ihrem Stepphemd Flicken sehen. Und der Tisch war von Kerben und Dellen übersät. Die Platten und Teller waren aus Metall, doch so verfärbt, daß Sorren sehr genau hinschauen mußte, um unter der Patina ein Muster zu erkennen. Sie tastete das Relief mit dem Daumen nach und erkannte zuerst ein Tier – eine Geiß, dachte sie, denn da sind Hörner –, dann einen Jäger, der in der Hand einen Bogen hielt.
    »Wie alt sind die?« fragte sie.
    »Zwei-, dreihundert Jahre?« Meriths Stimme klang unsicher.
    »Ich weiß es nicht. Die Aufzeichnungen sind

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