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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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verlorengegangen; als der Turm einstürzte, wurden sie zerstört.«
    »Wann ist denn der Turm eingestürzt? Und wie? Und warum?«
    »Ach, das ist viele Jahre her«, sagte Merith. »Vielleicht vierzig Jahre schon. Ich war noch ein Kind. Sie haben mir gesagt, der Wind hat ihn umgeworfen. Doch das kann nicht wahr sein. Es muß die Kälte gewesen sein, die den Stein zum Zerspringen gebracht hat.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Die Steine wurden ins Dorf gekarrt und dort zum Bau von Häusern verwendet. Die Aufzeichnungen ...« – sie brach ab – »viele sind verbrannt. Einige wurden in den Süden gebracht und verkauft. Die Gilde der Schriftgelehrten in Tezera hat viele davon erworben.«
    Sorren erinnerte sich an die Schriftstücke in Marti Hoks Arbeitszimmer und verspürte einen schuldbewußten Gewissensbiß. Sie befahl sich, sie solle nicht närrisch sein: sie hatte ja schließlich diese Aufzeichnungen nicht an Marti Hoks Großvater versilbert. »Warum wurden die Dokumente verkauft?«
    Meriths Gesichtsausdruck wurde spöttisch. »Für Geld natürlich«, sagte sie. Sie wies mit der Hand auf die Halle. »Siehst du es denn nicht, Sorren? Tornor ist arm. Einst kam fast die ganze Wolle für Arun aus dem Norden. Doch die Herden sind nach West und Ost und Süd weggezogen. Und die Händler aus Anhard kommen nicht länger nach Tornor. Sie ziehen die tieferliegenden Pässe bei Pel Keep und Zilia Keep vor. Während der Jahre der Großen Kriege brauchten die Grenzfesten niemals für Fleisch oder Getreide oder Kleidung oder Leder zu bezahlen – heute versorgen uns die Dorfleute, nicht aus Dankbarkeit, sondern aus Barmherzigkeit. Ich bin die fünfundzwanzigste Herrscherin auf Tornor – und vielleicht die letzte. Tornor ist eine Ruine. Würdest du deinen Kindern eine Ruine als Erbe hinterlassen wollen?« Ihre Stimme hatte sich gehoben und hallte nun im Saal wider.
    Sorren nahm einen Silberbecher in beide Hände. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Meine Mutter arbeitete bei der Traubenlese in den Weingärten. Als sie starb, hinterließ sie mir ein Hemd und einen alten Strohhut. Und ein Kästchen mit Karten.«
    An der Küchenseite der Halle öffnete sich eine Tür, und eine Frau trat ein. Sie trug eine Platte mit Essen. Sorrens Magen knurrte, als sie den Duft des Fleisches wahrnahm. Die Frau schleppte das Tablett an den Tisch und knallte es vor Merith auf die Platte. Sie war eine kurze, stämmige Person und hatte Muskeln wie ein Hafenarbeiter. Sie trug eine fleckige Lederschürze. »Wir haben nicht genug frisches Fleisch«, verkündete die Frau. »Wir werden im Dorf um was bitten müssen.«
    Merith sprach: »Sorren, das ist Meg. Sorren kommt aus dem Süden.«
    »Hah«, machte Meg. »Dann ist sie grad noch rechtzeitig gekommen. In zwei Tagen haben wir Schnee.«
    »Wie kannst du das wissen?« fragte Sorren.
    »Ich riech's am Himmel. Ich bin hier geboren.«
    Sorren sagte: »Ich bin in einem Weingarten geboren. Glaub ich jedenfalls. Aber meine Familie kam aus Tornor.«
    »Das überrascht mich gar nicht«, sagte Meg. »Ich könnte ja Sark sagen, er soll eins von den Schweinen abstechen«, sagte sie zu Merith.
    »Ja, tu dies«, sagte Merith. Auf dem Tablett standen eine Karaffe mit Wein und drei Trinkkelche. Sie goß zwei davon voll und schob Sorren einen zu. Sorren trank einen kleinen Schluck. Es war Weißwein, und er war herb wie der Winter, doch hinterließ er auf ihrer Zunge und in ihrem Magen ein wärmendes Glühen. Die Kelche waren aus gelblichem Kristall. Merith löffelte Fleisch auf ihren Teller. Sorren aß etwas davon; es war ein scharfgewürztes, pfefferiges Gericht. »Es schmeckt gut«, sagte sie.
    Meg war am Tisch stehengeblieben, die keulenstarken Arme über der Brust gekreuzt. Sie nickte. »Gewiß tut es das«, sagte sie und stapfte davon.
    Merith sagte: »Meg und ich sind gleichaltrig, und wir sind zusammen aufgewachsen. Sie hat meine beiden Kinder aus mir herausgeholt.« Sie wischte sich mit einem Tuch über die Lippen. »Nun, ich glaube, ich muß mir deine Botschaft anhören.«
    Sorren sagte: »Es sind Grüße an dich von dem Lord Tarn Ryth und die Grüße seines Sohnes Dennis an deine Tochter.«
    Merith runzelte die Stirn. »Wie kommt es, daß du Tarn Ryths Botin wurdest? Es gibt auch eine Halle des Grünen Clans in Nuath.«
    »Ich war sowieso hierher unterwegs, und ich hatte ihm eine Botschaft von Arré Med gebracht.«
    »Arré Med – aha, das Haus Med in Kendra-im-Delta. Es war ein Rebell aus dieser

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