Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
den Kopf, riss die Kiefer weit auseinander und ließ ein lautes Brüllen hören, das in der Höhle seinen Widerhall fand. Sein pfeilförmiger Schwanz schlug gegen den Fels und dort, wo die Mondsilberwaffen in seinem Körper steckten, quollen neuerliche Ströme grünen Drachenbluts hervor.
»Nicht!«, schrie der Zauberlehrling. »Wenn Ihr so weitermacht, dann sterbt Ihr ...« Schon vergessen, Letzte Flamme?, rasselte Pelagors Stimme. Das Gift in meinem Körper... Mein Tod ist überfällig. Glaciakor hat mein Leiden bloß verkürzt... Er schnaubte und sah ihn mit einem Blick an, der Kai durch und durch ging. Das Unendliche Licht umgibt uns überall, flüsterte die Drachenstimme in seinem Kopf. Sogar jetzt, an diesem Ort wirkt es. Wir vergessen es nur manchmal. . . Verständnislos sah Kai den Drachenkönig an. Sein grünes, dickflüssiges Blut rann nun in wahren Bächen von den Griffen und Schäften der Mondsilberwaffen und wenn er genau hinhörte, meinte er sogar den mächtigen Herzschlag Pelagors zu vernehmen. Doch dieser Schlag wurde schwächer.
»Bitte, Ihr dürft nicht sterben!«, sagte Kai. »Wir brauchen Euch!«
Kümmerst du dich um mein Junges ?, fragte ihn Pelagor und maß ihn mit prüfendem Blick. Kai schluckte und nickte dann.
Dann werde ich jetzt meinen Teil des Paktes erfüllen. Tu das, wozu ich nie in der Lage war, Letzte Flamme. Pelagor hob schwerfällig eine seiner Klauen und klappte eine große, rotgoldene Schuppe auf Höhe seines Herzens zurück. Darunter prangte eine schwärende Narbe. Hier hat mich Sigur Drachenherz einst verwundet. Direkt unter dem Herzen . . . Zeig mir, was in dir steckt! Ergreife mit deiner Macht den Splitter Sonnenfeuers und reiß ihn heraus!
»Ich soll was tun?«
Tu es!, donnerte die Stimme des Drachen in seinem Schädel und hätte ihn fast zu Boden geworfen.
Kai wankte zurück und erhob zitternd seinen Zauberstab. Er konzentrierte sich. Er spürte den hämmernden Herzschlag des Drachen, als wäre es sein eigener. Der Zauberlehrling bemühte sich mit seinen Kräften den Schuppenleib des Drachen zu durchdringen, versuchte, den Mondeisensplitter ausfindig zu machen und spürte plötzlich Widerstand.
Nicht ablassen!, keuchte die Drachenstimme hinter seiner Stirn. Nicht ablassen! Sein Körper zitterte unter der Anstrengung. Längst schlug sein eigenes Herz im Takt des Drachen. Er spürte die Hitze, die von ihm ausging, und sah wie am Ende eines fernen Tunnels ein rotes Leuchten.
Feuer!
Mit einem Schlag löste sich der Widerstand. Ohne es zu bemerken, hatte Kai die Augen geschlossen. Als er sie wieder öffnete, riss die alte Wunde auf und aus dem Schuppenkleid des Drachen schoss ihm die mondsilberne Spitze Sonnenfeuers entgegen. Pumpend und spritzend ergoss sich das kochend heiße Blut des Drachen über den Körper des Zauberlehrlings. Kai schrie auf vor Schmerzen, glitt aus, fiel hin und wurde nur immer mehr von dem kochenden Drachenblut besudelt. Als er bereits glaubte, ohnmächtig zu werden, verebbten die Qualen. Seine Haut brannte und das grüne Blut des Drachen verdampfte mehr und mehr zu Staub, der von seinem Körper herabrieselte.
Pelagor sackte zusammen und die Mondsilberklingen, an denen er hing, schnitten noch tiefer in seinen Leib. Doch der Drachenkörper war wie ausgedörrt. Der Blutstrom aus seinen Wunden versiegte.
Kai hingegen fühlte sich so wach und frisch wie schon lange nicht mehr. Wie hatte er diesen kochenden Blutstrom nur überleben können ?
Hastig rappelte er sich auf und trat vor den Drachen.
»Pelagor?« stammelte er. »Drachenkönig? Warum habt Ihr mich gebeten, Euch das anzutun? Warum?«
Mit gebrochenem Blick sah der sterbende Drachenkönig auf ihn herab und dann an ihm vorbei... Sein mächtiges Herz schlug nun immer langsamer.
Versprichst du mir, rasselte die Drachenstimme kaum noch wahrnehmbar, dass du die Macht meines Blutes auf Olitrax überträgst?
»Was auch immer Ihr damit meint, ich verspreche es, Drachenkönig!« Kai schluckte schwer.
Olitrax ... wahrlich, ein guter Name ... Mir ist kalt. So kalt... Hab Dank, dass ich nicht alleine sterben muss . . .
Der Schlag des Drachenherzens setzte aus und der Blick Pelagors wurde grau und stumpf. Leblos hing sein toter Leib an der Wand.
Kai konnte es nicht fassen.
Pelagor. Er war so alt wie die Welt selbst. Und jetzt ... war er tot.
Es stand ihm nicht zu, Pelagor für seine früheren Taten zu verurteilen. Das Einzige, was er fühlte, war Trauer. Er kniete vor dem alten Drachen nieder
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