Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
ausschnaufte. Zögernd kam er der Aufforderung nach. Zu Kais Erstaunen trat aus einem Baumstamm direkt vor ihm eine junge Frau, deren schlanker, wohlgestalteter Leib moosgrün im Mondlicht schimmerte. Weiches Blätterhaar umschmeichelte ihre schmalen Schultern und auf ihren Lippen lag ein verführerisches Lächeln.
»Das Licht brennt hell in dir, wie ich es noch nie bei einem Menschen gesehen habe«, flüsterte die Unbekannte. »Doch dein Feuer macht mir Angst.«
Hilfe suchend blickte sich der Zauberlehrling zu der Lichtung um. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Hatten die beiden ihn nicht vor dieser Dryade gewarnt? »Tut mir leid, wenn ich dir Angst gemacht habe«, sagte er »Du bist sicher hier, weil dich meine Freunde Fi und Gilraen gerufen haben ?«
»Sind das ihre Namen? Ja, ich bin dem Lied der Elfen gefolgt«, kicherte die Dryade. »Aber da wusste ich noch nicht, wer mich hier außerdem erwartet...«
Sie drehte sich spielerisch um sich selbst, und unvermittelt stand sie so nah bei ihm, dass ihre Gesichter sich fast berührten. Ein betörender Duft nach Apfelblüten und Kirsche umgab sie.
»Ich bin Meline, der Geist dieses Waldes. Hast du schon einmal geküsst, liebster Kai?«, girrte die Dryade verführerisch und liebkoste mit ihren grünen Fingern sein Haar. »Ob ich ... was?«, stammelte Kai und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Du musst nichts sagen«, sprach sie mit sanfter Stimme. »Ich spüre es. Aber das können wir beide ändern. Du könntest mich in mein Blätterhaus begleiten, Menschenkind.«
Kai blickte sich abermals zur Lichtung um. Doch die beiden Elfen sangen und tanzten noch immer selbstvergessen. Von ihnen war keine Hilfe zu erwarten.
Längst stand er mit dem Rücken gegen einen Baum, und der Fluchtweg war ihm verwehrt.
»Findest du mich nicht hübsch, Zauberer?«, sagte Meline und kam noch näher. »Doch«, krächzte er.
»Küss mich!«, flüsterte sie verheißungsvoll und näherte sich mit ihren Lippen seinem Gesicht.
Den Zauberlehrling durchfuhr es heiß und kalt.
»Ich würde Euch ja gern küssen«, keuchte er, während er fieberhaft überlegte. »Doch, äh ... dann wird es wieder passieren.«
»Was wird passieren?« Die Dryade sah ihn verwundert an. Ihre Lippen waren inzwischen kaum mehr eine Handbreit von den seinen entfernt.
»Na, dann bricht wieder das Feuer aus«, stammelte er.
»Feuer?!«
Meline löste sich geschwind von ihm und hielt misstrauisch Abstand. Kai atmete tief ein. Er versuchte sich an einem Lächeln. Es fiel kläglich aus.
»Ja«, log er weiter. »Immer wenn ich ein Mädchen küsse, dann bricht plötzlich irgendwo ein Feuer aus. Einmal habe ich eine ganze Scheune in Brand gesteckt und manchmal stehen meine Hände plötzlich in Flammen. Oh nein, sieh nur. Es passiert schon wieder.« Kai ließ eine Flamme auf seiner Hand erscheinen. »Das geschieht nur, wenn es ganz besonders arg um mich steht«, erklärte er mutiger werdend. »Also nur wenn jemand so hübsch ist wie du.«
»Ich sehe es«, erwiderte die Dryade leicht enttäuscht, doch schließlich lächelte sie geschmeichelt. »Wie schade.«
»Ja, sehr bedauerlich«, seufzte Kai. »Aber was hältst du davon, wenn wir beide dort hinüber gehen ? Fi und Gilraen erwarten dich sicher schon.«
Meline schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und glitt kichernd auf die Lichtung zu. Ja, fast schien es dem Zauberlehrling, als habe sie ihn bereits wieder vergessen. Schmeichelhaft war das nicht gerade. Trotzdem starrte Kai erleichtert auf den kleinen Drachen herab, der ihn und die Dryade die ganze Zeit über interessiert beäugt hatte. »Wenn ich mich schon um dich kümmern soll, Kleiner«, ermahnte er den Drachen, »dann sieh zu, dass du künftig alles von mir fernhältst, was auch nur entfernt weiblich ist...«
Olitrax schnaubte. Seltsam. Kai hatte fast den Eindruck, als habe der Kleine ihn verstanden.
»Na gut.« Kai sah sich noch einmal zum Wald um. Er hatte die bedrohliche Stimme, die ihn geweckt hatte, noch nicht vergessen. Meline war es mit Sicherheit nicht gewesen. Er schulterte seinen Rucksack und machte sich gemeinsam mit dem Drachen auf zur Lichtung.
Inzwischen war das Lied der beiden Elfen verstummt. Das Lagerfeuer, das sie vorhin entzündet hatten, war längst heruntergebrannt. Nur hin und wieder leckten kleine Flammen aus der Glut und tauchten die Umgebung in rotes Licht, das sich geheimnisvoll mit dem silbernen Leuchten des Mondes mischte. Kai sah, dass sich Gilraen
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