Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
Gegner um, doch Fi presste den Finger auf die Lippen und deutete hektisch zum Himmel. »Strigen!«
Ein fernes Krächzen war zu hören und aus dem dunklen Wolkengebirge über dem Talkessel jagte lauernd und unheilvoll ein Schwärm der Toteneulen hervor. »Oh nein! Wie haben sie uns gefunden?«
»Warte doch erst einmal ab«, flüsterte Fi. »Vielleicht wissen sie gar nicht, dass wir hier sind. Ich vermute, Morgoya wurde von den Ereignissen in Alba unterrichtet und lässt nun einfach alle nahe liegenden Ziele in Albion nach uns absuchen.«
Kreischend schössen die Strigen über das Bergplateau hinweg, und Kai und Fi konnten sehen, wie die Funkenschmetterlinge in dichten Schwärmen zum Himmel aufstiegen. Aus der Entfernung stellten sie glücklicherweise keine Gefahr dar, doch Kai entdeckte noch etwas anderes. Auf einigen Bäumen kletterten nackte Gestalten empor, die den Ruf der Strigen mit klagendem Gesang beantworteten. Das Geräusch schmerzte in ihren Ohren.
»Schattenelfen!« Fi griff entsetzt nach Kais Arm. »Morgoya hat sie hier als Wächter angesiedelt.«
Kai erinnerte sich wieder daran, was ihm Fi über das Leid ihres Volkes berichtet hatte. Morgoya hinderte die gefangenen Elfen schon seit Jahren daran zu schlafen. Ohne ihre Träume verloren die Elfen nach und nach ihr Selbst. Manche von ihnen waren bereits wahnsinnig geworden und zu schrecklichen Geschöpfen mutiert, die längst auf der Seite der Schatten standen. Angeblich konnten sie mit der Dunkelheit verschmelzen und ihr Gesang trieb einen Menschen in den Irrsinn. Doch vor allem entsetzte ihn eine andere ihrer Gewohnheiten. Sie fraßen Menschenfleisch! Und wenn er dem Knochenfund hinter ihnen Glauben schenkte, fielen sie hin und wieder auch übereinander her.
»Wir waren Narren, Fi«, keuchte Kai, als der Klagegesang der Elfen plötzlich abebbte. »Uns hätte klar sein müssen, dass uns Morgoya beim ersten Fehler nachstellen würde.« »Ja, aber noch hat sie uns nicht«, zischte die Elfe wütend. »Auf mich wirkt das so, als würde sie im Moment nur kontrollieren wollen, ob ihre Wächter noch auf dem Posten sind.«
Endlich stiegen die unheimlichen Gesandten Morgoyas wieder auf und flogen weiter gen Norden. Sie waren kaum außer Sicht, als neben ihnen Olitrax landete, den Kai bis dahin aus den Augen verloren hatte. Schnell zog er den Drachen zu sich heran. »Wohin mögen sich die Strigen jetzt wenden?« Kai betrachtete die Wolke, in die die Toteneulen eingetaucht waren.
»Morgoya weiß, dass ich bei dir bin, Kai.« Fi robbte hinter dem Felsen hervor und spähte die Bergflanke hinab. Von den Schattenelfen war keine Spur mehr zu sehen. Auch die Funkenschmetterlinge hatten sich wieder auf den Baumspitzen niedergelassen. »Sicher ahnt sie, dass ich nichts unversucht lassen werde, um mein Volk zu befreien. Entweder suchen die Strigen jetzt den Lunamon ab, das alte Siedlungsgebiet meines Volkes, oder sie machen sich auf den Weg zu den Mondsilberminen. Sie liegen in den Penniodrim, den Schratzacken. Das ist das höchste Gebirge in Albion.«
»Und was machen wir jetzt?« Auch Kai schob seinen Kopf über den Abhang. »Es ist hoffnungslos. Der Weg durch den Talkessel ist uns versperrt. Da kommen wir niemals durch.«
Fi wollte etwas erwidern, doch ein schwacher, feurig roter Schein in ihrem Rücken ließ sie herumfahren. Sie sahen, dass sich Olitrax mit ausgebreiteten Schwingen unter dem Felsen aufgebaut hatte und zum verschatteten Feuerberg hinüberstarrte. In seinen Augen leuchtete ein seltsames Feuer. Pupillen und Augäpfel des kleinen Drachen glühten wie brennende Kohlen und ihn umgab eine fast schon majestätische Aura. »Olitrax, was ist mit dir?«, flüsterte Kai irritiert.
Der kleine Drache stieß ein Knurren aus und kam auf ihn zu. Auch sein Gang hatte sich verändert. Das war kein Watscheln mehr, es ähnelte einem würdevollen Schreiten. »Lass ihn, Kai!« Fi klang ehrfürchtig. »Hast du vergessen, wessen Sohn er ist? Pelagors Hort befand sich einst auf dem Feuerberg.«
Olitrax baute sich vor Kai auf und musterte ihn aus seinen Glutaugen. Schließlich öffnete er sein Maul und eine spitze Flamme züngelte hervor, die Kai an der Stirn traf. Er fühlte keinen Schmerz, stattdessen trübte sich sein Blick. Olitrax' Drachenleib glühte jetzt in einem hellen Rot und auch Fis Körper konnte er als hellen, leuchtenden Umriss wahrnehmen. Ebenso seine Hände. Die übrige Welt hingegen versank in einem eigentümlichen Blau. Die Konturen der Pflanzen und
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