Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
antwortete der Kutscher in unterwürfigem Tonfall und drückte dem Bärtigen ein versiegeltes Schreiben in die Hand. »Ich stehe im Dienst von Stadtprotektor Schinnerkroog.«
Stadtprotektor schimpfte sich der verräterische oberste Stadtrat jetzt also. Kai hätte bei der Erwähnung Schinnerkroogs am liebsten ausgespuckt.
»Gut, weiter!«
Der Kutscher ließ die Zügel schnalzen und fuhr an. Umgehend setzte sich auch Kristallfell in Bewegung. Kai hielt sich zum Zaubern bereit, doch Fi meisterte ihre Aufgabe gewandt wie immer. Bevor die Gardisten die Reihen wieder schließen konnten, galoppierten sie ungesehen an ihnen vorbei in Richtung Innenstadt.
Trotz der Besatzung herrschte geschäftiges Treiben auf den Straßen. Nur die Stimmung war sichtlich gedrückt. Kai sah an den Fassaden der vertrauten Bürgerhäuser entlang und bemerkte, dass die meisten Fenster verhängt oder verschlossen waren. Wann immer Fi Kristallfell an Händlern, Wasserträgern und Bauern vorbeilenkte, sahen sie hoffnungslose Gesichter. Mägde huschten gesenkten Blickes über die Straße und drei Bierbrauer luden auffallend schweigend eine Karre mit Gerstensäcken ab. Niemand wollte mehr als nötig auffallen.
Unvermittelt bog Kristallfell in eine Nebengasse ein.
»Sind wir hier noch richtig?«, wisperte Äschengrund.
»Entschuldigt«, antwortet Fi leise. »Auf der Hauptstraße wäre irgendwann noch jemand in uns hineingelaufen. Ich versuche es lieber an einem der Kanäle entlang.« Fi führte Kristallfell an Bergen stinkenden Unrats vorbei, hin zu einer schmalen Uferstraße, die der Länge nach von schief stehenden Holzbauten gesäumt wurde. In diesem Moment schmetterten stählerne Posaunen eine weithin hörbare Fanfare. »Fi, ich glaube, das kommt vom Rathausmarkt«, sagte Kai. »Denkst du, wir finden eine Möglichkeit, herauszubekommen, was da los ist?«
»Ja, von der Nixenbrücke aus.«
Kristallfell galoppierte los und kurz darauf machten sie vor einer steinernen Brücke halt, die sich in schwungvollem Bogen über das Fleet spannte. Sie wurde von zahlreichen Nixenstatuen und Irrlichtlaternen geziert. Ein gutes Dutzend neugieriger Bürger drängte sich gegen die Brüstung, da die Brücke einen guten Blick hinüber auf den großen Platz vor dem Rathaus gewährte.
Dort waren einige Hundert Hammaburger Gardisten in Reih und Glied zur Truppenschau angetreten. Noch immer trugen sie die vertrauten Halskrausen und Hellebarden, doch allesamt waren sie jetzt in düstere Wappenröcke gehüllt. Die Blicke der Männer galten einem Balkon an der mit Statuen verzierten Fassade des Rathauses. Kai musste nicht lange raten, wer sich dort im Schutz zweier Zauberer aufgebaut hatte: Schinnerkroog, der verräterische oberste Ratsherr!
Der selbst ernannte Stadtprotektor trug ein tiefschwarzes Gewand und hob die Hand. Die Soldaten grüßten, indem jede Einheit ihre Drachenstandarten anhob und wie ein Mann auf den Boden krachen ließ.
»Söhne der Stadt!«, gellte die schrille Stimme Schinnerkroogs über den Platz. »Ihre Drachenkönigliche Majestät Morgoya von Albion entrichtet euch ihren Gruß! Die Zeit der Befreiung liegt hinter uns. Das Joch der Zauderer und Zögerer wurde abgeworfen und das gestrenge Albion blickt nun mit Stolz auf das altehrwürdige Hammaburg, das sich einmal mehr als Tor zur Welt erwiesen hat. Es ist nun die Zeit gekommen, da Hammaburg Albion und seinen tapferen Verbündeten jenseits des Nordmeers seinen Dank erweist und das Seine dazu beiträgt, die vor uns liegende Schicksalsschlacht siegreich zu bestreiten. Aus diesem Grund ist es mir eine Ehre, heute das erste Drachenbanner-Bataillon Hammaburgs offiziell dem Regiment Albions zu übergeben. Hauptleute, tretet vor und nehmt die Marschbefehle entgegen!«
Aus den Reihen der Soldaten lösten sich mehrere Offiziere, die sich zackigen Schrittes unter dem Balkon einfanden.
»Ich muss mir das nicht weiter ansehen«, murmelte Kai. »Los, lasst uns endlich zum Treffpunkt reiten.«
Fi gab Kristallfell ein Zeichen und vorbei an weiteren Schaulustigen ritten sie unbemerkt hinunter zum Hafen, der sich ihnen schon von Ferne durch seinen strengen Geruch nach feuchtem Holz, Fisch und Teer ankündigte. Die Zustände dort waren nicht weniger bedrückend. Eingerahmt von hohen Speichern, Ankerschmieden und Handelskontoren, lagen im Hafenbecken unzählige Schiffe vor Anker. Darunter etliche Drachengaleeren, auf denen gefährlich aussehende Nordmänner Kampfübungen durchführten, sowie albionsche
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