Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
geschlagen hatte, wurde an zwei Stellen zugleich getroffen. Er quittierte die Einschläge mit lautem Wutgebrüll. »Macht die Gasse für die Zauberer frei!«, bellte vor dem Zunfthaus ein Offizier. Kai wurde blass.
»Schnell, nach oben!«, rief Magister Eulertin. Kai ahnte, was sein Lehrmeister beabsichtigte. Im Stockwerk über ihnen lag die Wandelnde Kammer! Das ebenso geheimnisvolle wie tückische Schuhzimmer konnte sie auf magische Weise an weit entfernte Orte bringen. Auch wenn sie seine Geheimnisse noch nicht endgültig erforscht hatten, würden sie ihren Feinden so entkommen können.
Der Däumlingsmagier zwang den verbliebenen Felsschrat mit einem neuerlichen Blitzlichtgewitter in die Knie, während Fi Magister Äschengrund packte und ihn zur Wendeltreppe des nahen Erkerturms zerrte. Sie blutete am Bein und humpelte leicht. Abermals verschloss Kai Fenster- und Türfront mit einem Vorhang aus herableckenden Flammen, dann winkte er Olitrax heran, der die letzte Strige im Raum soeben in einen flatternden Glutball verwandelte. Gemeinsam mit dem Drachen stürmte er nun ebenfalls zur Wendeltreppe.
»Schneller, Kai!«, rief Amabilia besorgt.
Kai warf seinem alten Zimmer einen letzten Blick zu und hetzte schwer atmend in die nach Fett und altem Leder riechende Wandelnde Kammer. Es handelte sich um das einzige Zimmer des Zunfthauses, das unberührt von allen Verwüstungen geblieben war. Nach wie vor wurden die Wände von unzähligen Sockeln gesäumt, auf denen Schuhe aller Art standen. Doch für all die Reitstiefel, Wanderschuhe, Gamaschen und sonstigen Fußbekleidungen, die hier versammelt waren, hatte er diesmal keinen Blick. Hastig warf Kai die Zimmertür hinter sich zu und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass alle beisammen waren. Sogar Quiiiitsss schob sich durch eine der Wände in den Raum. Eulertin stieg zur Raumdecke auf, um sich einen Überblick zu verschaffen. »Kai, ich schlage vor, wir nehmen jenes Paar dort«, er wies mit seinem Zauberstab zielstrebig auf ein paar alte Treter, die sich rechts des Fensters befanden. »Die sollten uns zu einer alten Bauernkate zwei Meilen vor der Stadt bring...«
Jäh schlugen die Fensterläden zu. Von überallher war ein lautes Trappeln, Laufen und Rennen zu hören. Ein geisterhafter Windzug zerzauste Kais Haar und der Boden der Kammer erbebte. In den Wänden quietschte und ächzte es.
Dann wurde es wieder still.
»Verflucht! Wer von euch Narren, hat verdammt noch einmal die Schuhe berührt?«, zürnte der Däumlingsmagier.
»Äh, ich. Wieso?« Magister Äschengrund sah sie verlegen an. Er hielt ein Paar metallener Rittersporen in den Händen. »Hätte ich das nicht tun sollen?« Magister Eulertin schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein, Haragius. Hättest du nicht. Denn ich habe keine Ahnung, wohin uns die Kammer jetzt bringt.«
Das Nest
Fi spannte ihren Bogen, während Kai gespannt die knarrende Zimmertür öffnete. Modrige Luft schlug ihm entgegen. Es war dunkel und irgendwo gluckste es. Auf ein Zeichen Eulertins hin entzündete Kai am Ende seines Zauberstabes ein magisches Feuer. Wie erwartet war der Hausflur verschwunden, dafür erstreckte sich nun jenseits der Wandelnden Kammer ein großes, lang gezogenes Kreuzrippengewölbe, dessen Mauerwerk feucht schimmerte. Die Halle war leer, doch aus einem Riss an der Decke tropfte es, und Kai entdeckte am Boden eine große Pfütze.
»Hat jemand eine Ahnung, wo wir hier sind ?« Kais Flüsterstimme erzeugte einen leichten Hall in dem unbekannten Raum.
»Nein«, krächzte Kriwa. »Also lasst es uns herausfinden.«
Die Möwe flatterte mit Eulertin und Amabilia auf dem Rücken an ihm vorbei. Sogleich stieg auch Olitrax auf und folgte ihr. Der Lichtschein des winzigen Kristallsplitters auf Eulertins Stab vermischte sich mit Kais Fackellicht zu einem beunruhigenden blauen Flackern, das über Wände und Decke des unbekannten Gewölbes huschte. Vorsichtig folgten Kai, Fi und Magister Äschengrund ihren Gefährten. Kriwa flog eine Runde durch den Raum und ließ sich dann auf Äschengrunds Schulter nieder. Der Drakologe sah nun verwirrt von der Tür auf, die sich nach ihrem Durchschreiten wieder zu einem fugenlosen Teil der Raumwand verwandelt hatte.
»Faszinierend«, murmelte er.
Unter der Gewölbedecke schwebte derweil die durchschimmernde Schauergestalt von Quiiiitsss. Ungläubig hielt er seine Geisterarme von sich gestreckt und bewegte seinen nebulösen Körper ähnlich wie eine Raupe prüfend hin und her.
»Es
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