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Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme

Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme

Titel: Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Secretarius kraxelte auf seinen acht langen Beinen über die Regale hinweg und seilte sich schließlich an einem klebrigen Faden hinter dem Pult ab. Dort zog er seine Spinnenbeine ein und wirkte nun fast wie ein Mensch. Selbst Koggs atmete scharf ein.
    Schockiert bemerkte Kai, dass Stenzel einen mondsilbernen Sklavenkragen trug. Mit hoffnungslosem Blick sah der Secretarius die Gefangenen an. Kai ahnte, dass vor ihnen kein Monster stand, sondern ein alter Mann, den ein weit grausameres Schicksal ereilt hatte, als er es sich in seinen finstersten Albträumen hätte ausmalen können. »Ihr seid also jene Gargyle, die ein paar dieser tapferen Widerständler geschnappt hat?«, fragte Stenzel mit schwacher Stimme. »Bedauerlich. Sehr bedauerlich. Es werden immer weniger.«
    Dystariel schnaubte. Offenbar wusste sie selbst nicht so recht, was sie von ihrem Gegenüber halten sollte. »Schwingst du immer solch aufrührerische Reden, Spinnenmann?«
    »Aber sicher. Ich hasse die Nebelkönigin. Und ich hasse auch Seine Lordschaft.« Hinter Stenzeis Augengläsern blitzte so etwas wie Trotz. »Wollt Ihr mich dafür töten? Nur zu, Ihr tut mir damit einen Gefallen. Denn selbst Hand an mich zu legen, ist mir nicht gestattet. Aber wem sage ich das. Ihr seid ja sogar noch bemitleidenswerter als ich selbst. Ihr habt ja nicht einmal mehr einen eigenen Willen.«
    Kai hatte das Gefühl, dass die Gargyle kurz davor stand, ihre Beherrschung zu verlieren. »Führt uns zu Seiner Lordschaft«, röhrte sie stattdessen.
    Stenzel nickte und setzte sich auf seinen acht Spinnenbeinen wieder in Bewegung. Er zog sich mit kratzenden Geräuschen an einem Regal mit Landkarten empor, um sich über ihren Köpfen von Ständer zu Ständer zu tasten. Kai wurde bei dem Anblick flau zumute. Hastig folgten sie Stenzel durch das labyrinthische Archiv bis sie zu einer Treppe kamen, die ein weiteres Stockwerk hinaufführte. Stenzel krallte sich mit seinen Spinnenbeinen kopfüber an der Raumdecke fest und klopfte gegen die Tür am Ende der Stiegen.
    »Die Gargyle mit den Gefangenen, Eure Lordschaft!«
    »Sie sollen hereinkommen«, war eine gedämpfte Stimme zu hören.
    »Möge das Unendliche Licht ein gnädigeres Schicksal für euch bereithalten, als es mir vergönnt war«, wisperte der Secretarius. Anschließend zog er sich mit seinem verunstalteten Spinnenleib wieder ins Zwielicht zurück. Fi blickte Stenzel betroffen nach.
    Dystariel scheuchte sie hinauf in ein weiteres Turmzimmer, das über und über mit dem Arbeitsgerät des Hexenmeisters gefüllt war. Um sie herum stank es nach Schwefel und geronnenem Blut. Auf Tischen standen große Glaskolben, die vor sich hin köchelten, und Röhren leiteten schwefelgelbe Dünste zu einem verschlossenen Käfig, aus dem ein panisches Kratzen drang. Auch in diesem Raum ächzten die Regale unter der Last von Flaschen, Phiolen, Papieren und dicken Zauberschwarten. Kais Blick fiel auf einen gusseisernen Ständer, auf dem ein aufgeschlagener Foliant lag. Auf den Seiten war der geöffnete Leib eines Menschen zu erkennen.
    Ein Ruck ging durch die Fesseln der Gefährten, und Kai hörte, wie Koggs entsetzt aufkeuchte. Die Augen des Klabauterkapitäns waren auf eine Nische neben einem menschlichen Skelett gerichtet. Dort hockte zusammengekrümmt auf einem Stuhl eine koboldgroße Gestalt in blaugrauer Kapitänsuniform. Bilger Seestrand!
    Der Hexenmeister hatte den Unglücklichen mit Lederriemen an den Sitz festgeschnallt und es war nicht klar zu ersehen, ob der Klabauter überhaupt noch lebte. Sein ganzer Körper war zusammengeschrumpelt wie eine Mumie. Die fleckige Haut spannte sich trocken und rissig über die Wangenknochen, ihm waren fast alle Haare ausgefallen, die Zunge hing ihm aus dem Mund und seine Hände ähnelten verschrumpelten Vogelkrallen. Trübe starrte er in ihre Richtung, doch mit keiner Regung verriet er, ob er Koggs erkannte.
    Kai fiel ein Wassereimer auf, der an einem Ständer über dem Kopf des Klabauters hing. Offenbar hatte dieser ein kleines Loch am Boden, denn in diesem Moment fiel ein einzelner Wassertropfen in die Tiefe und zerplatzte auf der Stirn des Klabauters. Ein Zucken lief durch die Koboldgestalt und ein rasselnder Atemzug war zu hören. Anschließend erstarrte Bilger Seestrand wieder zu absoluter Reglosigkeit. Jetzt trat eine hagere Gestalt mit schlohweißen Haaren aus dem Zwielicht und musterte sie aus blutroten Pupillen. Kai duckte sich unwillkürlich unter dem Blick und machte sich bereit, die

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