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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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hatte seine Ausrüstung überprüft und seine Waffen gereinigt. Er war bereit zum Aufbruch – doch war er auch bereit für alles, was ihn erwartete?
    Die Wüste ist gefährlich, ganz besonders für jene, die den Weg des Lichts aus den Augen verloren haben.
    Überdeutlich hörte er Hadros’ Stimme in seinem Kopf. Der Jäger hatte ihn so herablassend betrachtet, als würde er an einem Abgrund stehen, kurz vor dem tödlichen Sprung. Und war es nicht so? Die Reise in die Wüste würde ihm mehr abverlangen als jeder Schritt in die Schatten, das wusste er. Nachdenklich griff er nach der Spritze, in der sich tiefrotes Laskantin befand. Seit einer ganzen Weile hatte er sich keine Dosis mehr verabreicht, und auch jetzt zögerte er, die Rote Kraft zu nutzen. Zur Hölle, was war los mit ihm? Sie würde ihm die Ruhe verschaffen, die er brauchte. Nie hatte er das in Zweifel gezogen, hatte sie durch seine Adern strömen lassen wie sein eigenes Blut und die Gelassenheit dankbar hingenommen, in die sie ihn hüllte. Aber seit seinem Weg in die Schatten hatte sich vieles verändert. Er hatte eine Welt jenseits der Kälte kennengelernt, und mit jedem Schritt in ihr war er sich stärker bewusst geworden, dass die Kraft des Laskantins ihm nur einen scheinbaren Frieden gab. Je häufiger er sie nutzte, desto stärker brauchte er sie. Er dachte an Antonios Frage: Warum beschützt du die Menschen? Und an die Antwort: Weil sie etwas in ihm ansprachen, das er tief in seinem Inneren verbarg. Eines Tages wirst du erkennen, dass dein größter Wert mehr ist als die Kälte deines Geistes und Augen aus Gold und Farben. Avartos sah Antonio vor sich, und ein Schatten glitt über sein Gesicht. Ja , sagte er in Gedanken, als wäre der Beschützer der Nephilim tatsächlich da. Das habe ich erfahren. Doch wie geht es weiter, Bruder der Dämmerung? Wohin setzt man den nächsten Schritt, wenn man das Licht verloren hat und die Schatten fürchtet?
    Das Klopfen an seiner Tür ließ ihn zusammenfahren. Verdammt, er war schon genauso schreckhaft wie die beiden Halbmenschen. Er legte die Spritze beiseite und öffnete die Tür so schnell, dass Noemi vor ihm zurückwich. Sie stand mit einer Kerze in der Hand da, die Haare zerzaust, als wäre sie aus dem Schlaf gefahren. Warum geisterte sie mitten in der Nacht durch dieses Kloster? Sie sollte sich ausruhen, um nicht auf halbem Weg in der Wüste zusammenzubrechen! Avartos fühlte schon die Worte auf seinen Lippen, als ihre Augen schmal wurden. Natürlich hatte sie seine finstere Miene sofort bemerkt, aber anstelle der trotzigen Abwehr, die für gewöhnlich in solchen Momenten in ihren Blick trat, erkannte er nun etwas anderes darin, etwas, das ihn gegen seinen Willen sanfter stimmte. Noemi wirkte meistens so stark, dass er sich immer wieder daran erinnern musste, wie zerbrechlich sie im Inneren war. Umso kostbarer waren die Momente, in denen sie ihn einen Blick hinter ihre Maske werfen ließ. Er dachte an den Schreck, der ihn durchfahren hatte, als sie aus dem Kampfsaal getreten war, kreidebleich und mit dieser Kälte im Blick, die nun wie ein bösartiges Geschwür in ihr glühte, und er ließ sie herein. Vielleicht, schoss es ihm durch den Kopf, näherten sich seine Schützlinge der Lehre des Lichts im selben Maße an, wie er sich von ihr entfernte – vielleicht bewegten sie sich aufeinander zu?
    Noemi trat zum Fenster und sah hinaus, als könnte sie mehr in der Scheibe erkennen als ein wirres Spiel aus Feuer und Schatten. Er wollte ihr sagen, dass sie schlafen sollte, dass ihre Reise anstrengend werden würde und sie ihn allein lassen musste, er wollte ihr all das sagen, was ein guter Mentor in diesem Moment gesagt hätte. Aber er schwieg. Stattdessen lehnte er sich gegen den Fensterrahmen, nah genug, um die Wärme ihres Körpers zu fühlen, die lindernd die Kälte des Klosters durchzog. Er konnte das eisige Glühen in Noemis Pupillen erkennen, noch ehe sie ihn ansah.
    »Der Oreymon ist so kalt«, sagte sie. »Ich habe schon alles versucht, was du uns beigebracht hast, von Ignoranz über Ablenkung bis hin zu Fokussierung, aber nichts hat geholfen.«
    Avartos fragte sich unwillkürlich, ob tatsächlich er sich diesen Unsinn ausgedacht hatte, aber es gelang ihm, die Fassade des Engelskriegers aufrechtzuerhalten. Oft genug hatten diese Methoden ihm selbst das Leben gerettet, zu oft, als dass er sie jetzt lächerlich machen würde.
    »Es kommt mir so vor, als würde der Raum jenseits mich von innen auslöschen«,

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