Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

sich nur nicht erinnern, wann sie sich zum letzten Mal begegnet waren. »Doch ich möchte nicht mit Euch Handel treiben. Gemeinsam mit meinen Begleitern werde ich bis tief hinein in den Inneren Kreis der Wüste reisen, und es heißt, dass das ohne einen erfahrenen Karawanenführer Wahnsinn wäre.«
    Mochanon schüttelte den Kopf. »Wenn ich mir Eure Truppe so ansehe, ist eine solche Reise sowieso Wahnsinn, ob mit oder ohne Führer. Nur damit ich das richtig verstehe: Ihr, ein alter Mann, wollt in das gefährlichste Gebiet der Wüste reisen, begleitet von zwei Halbwüchsigen und einem Snob, der vermutlich ein Maniküreset in seinem Gepäck verstaut hat, so geschniegelt, wie er dasteht?«
    Avartos verschränkte die Arme vor der Brust, aber Hadros nickte unmerklich, und Mochanon verzog den Mund zu einem Grinsen, das grün verfärbte Zähne offenbarte. »Ihr seid wahnsinnig, mein Freund, ohne jede Frage.« Dann kippte er den letzten Rest des Weins hinunter, der sich vor ihm in einem schmutzigen Becher befunden hatte, und wollte gerade aufstehen und gehen, als Hadros dicht an den Tisch herantrat.
    »An Eurer Seite können wir es schaffen«, sagte er eindringlich und leise genug, um seine Worte im engen Kreis des Tisches zu halten. »Ihr kennt die geeigneten Wege, die möglichen Gefahren, Ihr seid vertraut im richtigen Umgang mit den Stämmen der Ukarem’ Xhey und wisst um die Lage der Wasserlöcher. Wie ich hörte, brecht Ihr im Morgengrauen auf. Euer Weg führt Euch vorbei an der Düne der Schlangen, und … «
    Mochanons Faust landete so plötzlich auf dem Tisch, dass Kaya vor Schreck in die Luft hüpfte. Ärgerlich schob er die Frau von seinem Schoß, die eilig in der Menge verschwand, und machte jedem Umsitzenden mit einem einzigen Blick klar, dass es klüger war, sich augenblicklich wieder umzudrehen und so zu tun, als hätte man von diesem Ausbruch nicht das Geringste mitbekommen. Mit tief geneigtem Kopf beugte er sich vor, ohne Hadros aus den Augen zu lassen, und deutete mit dem Finger auf ihn. »Woher zum Teufel wisst Ihr das?«
    Nando rechnete damit, dass er Hadros jeden Moment an der Kehle packen würde, aber diesen schien Mochanons Zorn nicht zu beunruhigen. Gelassen hob er die Brauen und strich sich den Sand von den Ärmeln, als gäbe es gerade nichts Wichtigeres als das. »Nicht jeder Eurer Lakaien verdient es, Eure Pläne zu kennen«, erwiderte er ruhig. »Doch seid ohne Sorge. Ich verstehe mich darauf, Informationen zu beschaffen, und dennoch wurde mir nicht verraten, wonach Ihr genau sucht, geschweige denn an welchem Ort.«
    Mochanon schnaubte verächtlich. »Das liegt nur daran, dass es außer mir keiner weiß. Und das hat seine Gründe.« Er schüttelte den Kopf, sein Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war. Selten hatte Nando einen Engel gesehen, der so plötzlich aus der Haut fuhr, fast so, als wäre er … Da hob Mochanon den Kopf und umfasste Nando mit stechendem Blick.
    Sprich deinen Gedanken zu Ende, grollte er in dessen Schädel, und ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder etwas denkst.
    Erschrocken starrte Nando ihn an. Er hatte die Mauer um seine Gedanken so hoch gezogen wie möglich, wie war es …
    Ich bin kein Dämon, wie du unverschämterweise vermutet hast , fuhr Mochanon fort . Aber ich wurde in der Wüste geboren, als sie noch als blasser Streifen vor den Armeon Rhay lag. Ich wuchs mit ihr heran, und sie hat mich geprägt. Mehr noch als das: Sie hat mich aufgezogen und mein Temperament wie jedes andere meiner Talente geformt. Bis heute bin ich ein Ikarym, ein Sohn der Wüste. Bis auf sehr wenige Ausnahmen kann niemand seine Gedanken lange vor mir verbergen, ganz gleich, wie mächtig er ist. Manche Wesen sagen, Engel wie ich trügen das Blut der Dschinns in unseren Adern, und vielleicht ist das weniger weit von der Wahrheit entfernt, als man zunächst denkt.
    Kaya nickte unmerklich, und Nando spürte die stille Hingabe, die sie in diesem Moment empfand. Für gewöhnlich hielt sie sich fern von ihresgleichen, doch in Mochanons Augen lag etwas, das sich auch in ihrem Blick fand, eine Ahnung von Freiheit, die nur Geschöpfe aus Luft und Feuer empfinden konnten oder Reisende zwischen den Welten.
    »Bis auf wenige Ausnahmen, in der Tat«, warf Hadros ein und lächelte listig zum Zeichen dafür, dass es Mochanon offensichtlich nicht gelungen war, in seine eigenen Gedanken vorzudringen. »Ich stimme Euch zu, es wäre mehr als unschön, von der Garde in die Kerker der Königin