Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
griffen sie nach ihm, nur im letzten Moment konnte er ihnen ausweichen. Hadros schickte einen Blitzzauber auf Baskardim, doch so einfach ließ der Geist sich nicht bezwingen. Die Wirbel der Frey’khira schützten ihn, und er sammelte seine Kräfte, Nando konnte es in jedem Sandkorn fühlen. Überdeutlich hörte er die Schreie derer, die in die Klauen der Frey’khira gefallen waren, und sah schaudernd, wie sich ihre Leiber dort, wo sie berührt wurden, in Sand verwandelten. Seinetwegen geschah das. Nur seinetwegen mussten diese Engel sterben. Außer sich schleuderte er einen Flammenzauber auf zwei Sandfrauen, die einen jungen Mann zu sich lockten, aber sie entstanden aus den zerstreuten Körnern neu, als würde keine Magie der Welt ihnen etwas antun können.
»Es sind Dschinns!«, rief Kaya und landete auf seiner Schulter. »Spiel für mich, Nando! Spiel, und ich zeige dir den Weg zu ihnen!«
Wie von selbst flog die Geige in Nandos Hand, und ehe er wusste, was er tat, führte er den Bogen über die Saiten. Laut drang seine Musik durch den Sturm, schlug mehrere Frauen zurück und ließ sie schmerzerfüllt aufjaulen, und als sie seinen Oreymon erfüllte, fühlte er Kayas Willen in seinen Gedanken. Auf den Tönen seiner Musik fuhr sie in den Sand der Wüste ein und nahm ihn mit sich, und er begriff, dass er keine Chance gegen die Dschinns hatte, solange er versuchte, sie von außen zu bezwingen. Er musste sie von innen heraus vernichten. Übermächtig durchströmte ihn sein inneres Licht, aber er fühlte auch die Kraft der Dschinns, die Kaya ihm lieh, und spürte die Glut der Wüste wie sein eigenes Blut durch seine Adern strömen. Noch immer stand er inmitten der schreienden Engel und spielte auf der Geige, aber gleichzeitig raste sein Geist durch die Dünen und brach mit einem Feuerwerk aus Tönen in die Leiber der Sandfrauen ein. Er formte die Körper der Frey’khira neu, es waren gleißende Engel, die er aus seinem Licht erschuf. Reglos stand er da, eine winzige Gestalt, umringt von Geschöpfen aus Licht und Sand, und vor ihm, riesenhaft und brüllend vor Schmerz, erhob sich der Zorn der Wüste und starrte ihn aus glühenden Augen an. Nando hatte ihn geschwächt – nun war er angreifbar, und Nando würde nicht zögern, ihn zum Kampf zu fordern. Er würde …
Er wusste nicht, was es war, das diesen Gedanken unterbrach, aber er hörte sie deutlich: die Stimme des Teufels, die auf jedem Ton seiner Musik dahinritt und zu ihm sprach. Seine Finger waren wie erstarrt auf den Saiten seiner Geige, er zitterte, so kalt hatte ihn das Licht gemacht, und doch glühte etwas in ihm, das Luzifer Antwort gab – dieser lockenden Aufforderung des Teufels, mehr sein zu können als das, was er jetzt war. Er spürte den Drang danach, die Luft der Wüste einzusaugen, die Klauen auszustrecken, um alle Dünen zu zerschlagen, er wollte wissen, fühlen, glauben, was die Frey’khira in ihrem langen Leben gewusst, gefühlt, geglaubt hatten, und er zweifelte nicht daran, dass er das konnte. Der Teufel raunte es ihm zu, deutlich spürte er es in jedem Ton seiner Musik. Nichts als die Kälte des Lichts trennte ihn davon. Er musste es nur fallen lassen, und dann würde er sie nicht mehr einfach töten – er würde sie sich einverleiben mitsamt all ihrer Kraft und Erinnerung, und dann würde er Baskardim in den Sand seines einstigen Reiches schleudern und ihn vernichten für die Unverschämtheit, ihm den Durchgang zu verweigern. Dieser Gedanke berauschte ihn, er wollte lachen, so leicht fühlte er sich auf einmal.
Nando! Kayas Ruf traf ihn wie ein Messerstich. Du fällst!
Ihre Worte zerrissen Luzifers Stimme, und Nando biss die Zähne aufeinander. Nein, er würde die Wüste nicht bestehlen, weil der Fürst der Hölle es ihm befahl! Er war ein Krieger des Lichts! Sein Oreymon wurde so hell, dass er meinte, er müsste innerlich in Flammen stehen. Schneller und schneller führte er den Bogen über die Saiten, und als er die Augen schloss, konnte er sie sehen: die Sandfrauen, die unter seiner Kraft erstarrten, die Engel, die zu ihm aufschauten, als könnten sie nicht glauben, was sie da erblickten, und Baskardim, dessen Leib von innen heraus in strahlendem Gold erstrahlte. Er sah auf Nando herab, und dieser erwiderte seinen Blick mit geschlossenen Augen, während er mit jedem Bogenstrich eine Gefährtin der Wüste zerbrechen ließ. Er sah sie fallen wie wirkliche Engel, ihre Leiber waren bleich und wunderschön, und als er die letzten Töne
Weitere Kostenlose Bücher