Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Schlag als erhaben und sinnbildlich für die kühle Kraft der Engel ausgemalt, doch nun … Er zog die Brauen zusammen, als er fühlte, wie die Kraft des Teufels in Bhalvris erwachte. Was war es, das er in Hadros’ Spiegelaugen sah? Was färbte sie so dunkel, als wären sie die Augen eines Dämons?
Ein Wüstenlachen drang durch die Luft, grausam und triumphierend, doch da breitete Hadros die Schwingen aus und zerriss die Illusion mit einem gewaltigen Zauber. Rasend schnell schnitt er den Leib des Hexenmeisters in Fetzen, und Avartos bemerkte unter den Mönchen in seiner Nähe erneut den Engel mit dem brennenden schwarzen Dolch, der schneller als all die anderen auf seine Feinde einstach und bald Seite an Seite mit Hadros kämpfte. Unter ihren Zaubern zerbrachen Raars Stimmen, als wären sie nicht mehr als schwache Kinderlieder. Gerade wollte Avartos sich vorstürzen, um Nando zu finden, als der Schatten des Verfalls sich zornig aufbäumte. Donnernd brach sein Schrei aus den sterbenden Stimmen, formte sich zu einem pfeilschnellen Schemen und schlug krachend in der Schulter des Mönchs ein. Die Kapuze glitt ihm vom Gesicht, braune Locken ergossen sich auf seine Schultern, und die Erkenntnis traf Avartos so heftig, dass er den Atem anhielt. Kein Mönch war es, der an Hadros’ Seite kämpfte. Es war eine Frau mit langem Haar und Augen wie Bernstein.
Carmenya.
Ihr Keuchen war kaum zu hören, als sie unter dem Gift des Dämons zu Boden sank, und doch spürte Avartos es so deutlich wie einen Schlag ins Gesicht. Hadros fuhr herum, und als hätte man ihm eine Maske vom Antlitz gerissen, brach die Dunkelheit in seinen Augen auf – dieselbe Dunkelheit, mit der er damals im Kampf gegen Askramar das Schwert betrachtet hatte. Verwundbar war dieser Blick, und plötzlich schoss das Wort durch Avartos’ Gedanken, das ihm bei diesem Anblick gefehlt hatte. Sehnsucht war es – Sehnsucht stand in Hadros’ Augen.
Pherodos’ Brüllen peitschte durch den Raum und schlug die Mönche zurück, die sich in Hadros’ Nähe befanden, und Raars Schrei ballte sich zu einer gläsernen Scherbe zusammen. So schnell, dass Avartos sie kaum sah, schoss sie auf Hadros zu. Der Engel fuhr noch herum, er hob die Hand, um die Scherbe abzuwehren, aber noch immer brannte die Schwärze in seinen Augen, die ihn so verletzlich machte, und als das tödliche Geschoss seine Brust durchschlug, stürzte er zu Boden – er, der mächtigste Engelskrieger aller Zeiten, fiel vor seinen Feinden in den Staub. Sofort erhob Raar erneut seine Stimmen. Bhere’ssar , raunten sie, und der Name, den die Dämonen dem Höchsten Krieger des Lichts gegeben hatten, glitt glühend über Avartos’ Rücken. Lügner der Farben.
Der Name traf zahlreiche Mönche wie ein Stoß in den Rücken, und Avartos wusste, dass jeder Ton von Luzifer selbst durch Hadros’ Glieder geschickt wurde, getragen von den Schmerzen seiner Kinder, die der Engel einst zerrissen hatte. Der Sturm des Verfalls schwoll kurz an und trieb Avartos zwischen die Säulen zurück. Der Engel packte Noemi, die Hadros instinktiv zu Hilfe eilen wollte. Unsanft zog Avartos sie an sich, ohne sie anzusehen, und betrachtete stattdessen den Krieger des Lichts, der mit letzter Kraft die Faust hob, um die Dämonen abzuwehren. Doch sie hielten Abstand zu ihm als wäre er die Beute eines anderen Kämpfers … einer Kriegerin mit schneeweißem Haar, die sich nun auf bloßen Füßen näherte.
»Was zur Hölle tust du?«
Noemis Stimme schlug Avartos vor die Brust. Sie riss sich von ihm los und deutete auf Hadros.
»Wir müssen ihnen beistehen!«, rief sie außer sich. »Wenn wir ihm nicht helfen, wird er … «
Avartos sah sie so plötzlich an, dass sie erstarrte. Kein Wort musste er sagen, damit sie verstand. Kein Wort war nötig, um die Abwehr mit aller Kraft in ihre Augen zurückzuholen, mit der sie ihn so lange betrachtet hatte. Nichts weiter war dafür nötig als die Wahrheit, die er nun in seinen Blick schickte.
Er hob seinen Arm mit dem Schlüssel. »Hadros gab mir einen Befehl. Gegen diese Übermacht haben wir keine Chance. Wenn wir jetzt nicht fliehen, werden sie alles gewinnen, und wir werden sterben. Dann war alles umsonst.«
Sie starrte ihn an, aber er war sich nicht sicher, ob überhaupt eines seiner Worte sie erreicht hatte. Es war, als würde sie einem Fremden gegenüberstehen.
»Ich werde Nando holen«, fuhr er fort. »Und du rührst dich nicht vom Fleck, hast du verstanden?« Er sprach leise, wie er es
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