Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
gegangen war, die Welt des Lichts vor den Finsternissen der Schatten zu bewahren, und er konnte guten Gewissens behaupten, einer der besten Krieger seines Volkes zu sein. Doch nun, da er auf Kar’tas Imnir hinabschaute und die Horden sah, die den Acker unter sich begruben, setzte sein Herzschlag für einen Moment aus.
Die Dämonen Askramars waren es, die ihre halb zerfetzten Körper über die Ebene schleppten. Gewaltige Minotauren, Kreaturen der Schatten mit drei oder mehr Köpfen, schwingenbewehrte Tierleiber, deren Gesichter menschlich waren und die mit wächsernen Augen hinauf zu den Fenstern stierten, als würden sie wissen, dass ihre Feinde sie beobachteten. Unter ihnen befanden sich auch die drei verbliebenen Reiter: Pherodos, der sein brennendes Pferd inmitten der Dämonen vorantrieb, Raar, der auf seinem Geier über ihre Köpfe hinwegflog, und Kymbra, makellos schön und doch grausamer als jeder andere Dämon in ihrem endlosen Heer. Etwas abseits des Zuges stand sie neben ihrem Tiger, ihr Blick durchdrang die Magie des Fensters, und als sie zum dritten Mal das Horn Arrons erklingen ließ, gab es keinen Zweifel mehr: Die Schlacht hatte gerade erst begonnen.
Dumpf nur hörte Avartos die Mönche hinter sich in Kampfposition gehen, fühlte die Abwehrzauber, die das Mauerwerk stärkten und sich in glühenden Symbolen in die Luft erhoben, und wusste gleichzeitig, dass jede Gegenwehr vergebens sein würde. Diese Übermacht hatte Jahrhunderte geruht, um für diesen Augenblick gewappnet zu sein. Nichts würde sie aufhalten, nun, da die Befreiung ihres Herrn zum Greifen nah war.
Nando stand wie erstarrt da, das Schwert des Teufels in seiner Hand. Auch er schien Kymbras Kraft zu spüren, die nun mit aller Macht über die Mauern kroch, ebenso wie Kaya, deren Augen bei diesem Anblick tellergroß wurden, und Noemi, die dennoch keinen Deut zurückwich. Schwer und kalt legte sich Hadros’ Hand auf Avartos’ Schulter.
»Führe sie fort von hier«, raunte der Engel leise genug, damit die anderen ihn nicht hörten, aber etwas in seiner Stimme ließ Avartos den Blick wenden, und als er sich selbst in den goldenen Spiegeln des Kriegers erkannte, schauderte er. Risse zogen sich über seine Maske, denn er spürte, dass es ein Abschied war, den Hadros vorausgesehen hatte – ein Schritt in einen Abgrund, aus dem es keine Wiederkehr mehr geben würde.
Etwas in Avartos wollte dem Jäger widersprechen, irgendetwas sagen oder tun, das Hadros umstimmen würde. Doch er hatte längst begriffen, dass es keinen anderen Weg gab, und ballte die Hände zu Fäusten, als er den kühlen Gegenstand zwischen den Fingern fühlte, benetzt vom Blut des Engels. Ein Schlüssel war es, herausgerissen aus der Brust des mächtigsten Kriegers des Lichts, ein Schlüssel, der die inneren Kreise der Hölle öffnen konnte und der sie ebenso verschlossen hielt mit all der Bosheit und Grausamkeit, die sie bargen.
»Sie werden es nicht verstehen«, sagte Hadros beinahe sanft, und Avartos wusste, dass er Noemi und Nando meinte, die erstarrt wie Kinder im Angesicht der Gefahr auf die Feinde hinabschauten und nicht begreifen konnten, was sie erwartete. »Doch du bist ein Jäger, Avartos Palium Hor. Du bist ein Krieger des Lichts. Führe sie in die Schatten, und ich weiß, dass sie obsiegen werden gegen jedwede Finsternis!«
Ein Lächeln flammte durch Hadros’ Blick, das Avartos den Kopf neigen ließ. Selten war er von einem Krieger des Lichts mit einem Ausdruck wie diesem betrachtet worden, einem stolzen, warmen Ausdruck, den er bisweilen in den Augen von Menschenvätern gesehen hatte, wenn sie ihre Söhne ansahen. Avartos band den Schlüssel mit einem Zauber um seinen Unterarm und nickte kaum merklich. Es gab keine Waffe gegen den Willen dieses Kriegers. Es gab nur die Entschlossenheit, ihn nicht zu enttäuschen. Hadros erwiderte seinen Blick, für einen Moment standen sie sich gegenüber wie langjährige Gefährten. Dann wandte der Jäger sich ab. Unmerklich bewegte er die Hand über Nandos Kopf, der Tarnzauber war so mächtig, dass Avartos ihn als Prickeln auf seiner Haut fühlte. Doch ehe der Junge sich umdrehen konnte, hob Hadros die Hand, und der Kampf begann.
Eine mächtige Welle aus blauen Flammen brach aus dem Kloster und stob in Gestalt brennender Krieger in die Reihen der Dämonen. Donnernd schlugen Licht und Schatten aufeinander, doch sofort erhoben sich schwarze Winde, rissen die Feuergestalten in die Luft und schleuderten sie mit solcher
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