Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
an die Wärme in seinem Blick und die letzten Worte, die sie miteinander gewechselt hatten. Langsam öffnete Antonio die Augen, und Nando erwartete denselben Glanz, den er bei ihrer letzten Begegnung darin gesehen hatte – diesen erhabenen Schimmer, der ihn mit Stolz erfüllte, da dieser Engel ihm sein Vertrauen schenkte, mehr noch: da dieser Engel für ihn gestorben war.
Es war nur eine Nuance, die Antonios Lächeln bitter machte, aber Nando fühlte den Spott darin und die Enttäuschung, und das Blut wich aus seinem Kopf, als der Engel ihn ansah. Kein Glanz lag mehr in dessen Blick, sondern ein haltloser, einsamer Schmerz, und Nando hörte seine Stimme wie damals, doch kalt nun und wie in weiter Ferne.
Du hast deiner Stärke nicht vertraut , sagte Antonio zu ihm, und Nando las noch mehr in seinem Blick, viel mehr als das: Du, Sohn des Teufels, hast meinen Glauben in Finsternis gehüllt.
Jedes Wort sank in Nando hinein wie brennendes Gift. Sie drangen durch den Schutz aus Kälte und trieben ihn vorwärts. Antonios Leib zerbrach zu Nebel, hilflos griff er danach, aber der Dunst glitt ihm durch die Finger. Dann kam die Stille über ihn, eine schreckliche, eiskalte Stille, aber selbst sie nahm er wahr wie durch tausend Schleier. Wie in Trance griff er sich an die Brust, seine metallenen Finger zerrissen ihm das Fleisch, aber schlimmer als jeder Schmerz war die Leere, die in ihm war, jetzt, da sein Herz nicht mehr schlug. Verzweifelt fiel er auf die Knie, und er presste die Hände auf den Boden, um ihn zurückzuzwingen wie damals: ihn, den Herzschlag der Welt, der ihn verlassen hatte. Doch das Leben schwieg vor ihm. Alles, was er hörte, waren die Worte, die er in Antonios Augen gelesen hatte, diese Worte, die ihm jetzt die Kehle zuschnürten und ihn nach den Blüten greifen ließen, bis sie ihm in ihrem Frost die Hände zerschnitten. Du hast mich verraten. Antonio hatte ihn angesehen, als wäre er …
… tot , flüsterte eine Wüstenstimme an Nandos Ohr.
Das Wort des Teufels peitschte über die Hügel und formte sie zu einer weiten Ebene – jenem riesigen Schlachtfeld, das in Nandos Innerem lag und dem er nicht entkommen konnte, mit keiner Glut und keiner Kälte dieser Welt. Sein stummer Schrei zerriss die Luft, er ertrug den Frost in seinem Inneren nicht länger, und als die Schatten in Bhalvris erneut aufflammten, zögerte er nicht mehr. Er stürzte sich mitten hinein, und er sah sich von außen: ein Engel aus Eis, umtost von nächtlichen Schatten. Übermächtig war der Drang in ihm, sie auf seiner Haut spüren, und als er die Arme nach ihnen ausstreckte, schossen sie in ihn hinein, funkensprühende Blitze, die ihn mit ihrem Feuer fluteten und ihm die Kälte aus den Gliedern rissen. Flammende Bilder stoben durch seine Gedanken, er konnte sie nicht greifen, aber er fühlte Trauer in sich aufbranden, Zorn, Verzweiflung, aber auch Glück, Ekstase, Freude, dann wieder Schmerz, so durchdringend, dass er glaubte, davon zerfetzt zu werden. Mit brachialer Gewalt schlugen die Empfindungen ineinander, es war, als hätte er nie zuvor gewusst, was Hass bedeutete, Sehnsucht, Liebe, und mit jeder neuen Explosion wuchs die Hitze in ihm, bis er meinte, keine Luft mehr zu bekommen in ihrem glühenden Griff. Heftiger Schwindel erfasste ihn, und er floh zurück ins Licht, diese lindernde Kälte, die in ihm aufbrach und aus den Wunden seines Körpers in die Finsternis schoss. Im freien Fall raste er tiefer, wusste nicht, ob er noch atmete, war unfähig, seine Schwingen zu gebrauchen, und floh schließlich vor dem grausamen Frost wieder in die lebendigen Hände der Schatten. Immer schneller wechselte er zwischen Tag und Nacht, Licht und Finsternis, und er spürte es kaum, als er krachend auf dem Boden des Klosters aufschlug. Feuer strichen über seinen Leib, ebenso wie Schleier aus Eis. Er spürte Raureif auf seinem Gesicht und die Flammen, die aus seinen Händen loderten, aber er sah nichts mehr als sich selbst, noch immer fallend in der Dämmerung, ein brennender Engel, entflammt in Glut und Kälte.
Mit aller Kraft hob er die Hände und schlug sie sich in die Brust, als wollte er sich die tosende Leere aus dem Leib reißen. Der Schmerz durchzuckte den Kampf der Extreme, und gerade in dem Moment, da er die Nägel tiefer grub, um sich selbst in Stücke zu reißen, fühlte er ihn deutlich, unstet, leise, aber dennoch kraftvoll: seinen eigenen Herzschlag, der ihm ein Bild zurückbrachte – das Bild Antonios im Mohnfeld, wie es
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