Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
all das Blut und die zerfetzten Leiber der Dämonen hindurch. Bald schon würde sie den Bannzauber abgeworfen und ihren geschundenen Körper erneuert haben, und dann würde die Armee der Höllenkreaturen nach ihm suchen. Schon jetzt konnte er es spüren, das dumpfe Grollen der Bosheit, die sich hoch über ihm in blutroter Glut durch die Mauern zog, begierig danach, ihn zu zerreißen. Stöhnend wollte er auf die Beine kommen, aber seine Knie gaben unter ihm nach und er stürzte, ohne sich abfangen zu können. Hart landete er auf dem Gesicht, der Schmerz durchzuckte ihn wie ein Spottruf.
»Du machst mehr Lärm als eine Horde Betrunkener, die durch Roms Gassen torkelt«, raunte eine Stimme.
Nando fuhr zusammen, so unwirklich erschien sie ihm angesichts der Umstände, doch noch ehe er den Blick heben konnte, packte ihn eine Hand am Kragen und lehnte ihn gegen die Wand. Ein Lächeln lag auf Hadros’ Lippen, aber Nando spürte, wie die Kraft den Engel verließ.
Aufatmend setzte Hadros sich ihm gegenüber, den Blick auf ihn gerichtet wie damals, als sie sich über den Abgrund hinweg angesehen hatten. Doch nun hielt Nando dem Blick nicht stand.
»Verzeiht mir«, sagte er und schaute auf seine Hände. »Ihr seid ein Krieger. Ihr müsst Euch schämen für jemanden wie mich.«
Hadros schnaubte verächtlich. »Bitte niemanden für etwas um Verzeihung, solange du dir selbst nicht vergeben kannst. Und sage mir eines, Teufelssohn: Wer wurde von den Schergen des Teufels überrumpelt wie ein blutiger Anfänger, weil er nicht damit gerechnet hat, seine Tochter inmitten dieser Schlacht zu sehen?« Er schüttelte langsam den Kopf. »Du hast recht, ein Krieger bin ich gewesen. Doch ich bin nicht der Engel, den du zu kennen glaubst.«
Nando sah, wie er schmerzerfüllt das Gesicht verzog, und wollte ihm etwas Wasser reichen, aber Hadros wehrte ihn mit schwacher Geste ab.
»Ihr seid der mächtigste Jäger Eures Volkes«, sagte Nando ehrfürchtig. »Ihr seid in die Schatten der Hölle hinabgestiegen, um den Teufel zu verwunden, und Ihr habt mehr Dämonen vernichtet, als ich zählen kann. Ihr habt Askramar bezwungen, habt Ihr das etwa vergessen?«
Hadros lachte leise. »Nein, wie könnte ich das je vergessen«, erwiderte er, und für einen Moment glitt sein Blick seitwärts wie in eine weite Ferne. »Ich bezwang ihn. Inmitten meiner Gefährten kämpfte ich mich durch seine Armee, ich erklomm die Stufen seines Turms und schlug die Tore hinter mir zu, und dann kämpfte ich gegen ihn … Askramar, den mächtigsten Hexenmeister der Bekannten Welt. Noch heute fühle ich das Licht von Bhalvris in meinen Fingern … Ebenso wie die Macht des Teufels, die unter Askramars Ruf plötzlich darin erwachte.«
Nando zog die Arme um den Körper. Er fröstelte, als er Hadros’ Worten lauschte, und spürte wieder die Schatten in seiner Waffe, die nach ihm griffen.
»Askramar rannte gegen meinen Wall an«, sagte Hadros mit rauer Stimme. »Er setzte jede Kraft der Finsternis gegen mein Licht, wollte es niederreißen, mit aller Macht, und Luzifer ließ das Schwert in meiner Hand erglühen. Der Teufel antwortete den Schatten in mir, ich spüre es bis heute … «
Nando hielt den Atem an, als Bilder in Hadros’ Augen aufstiegen. Er rechnete damit, dass sich die rätselhafte Dunkelheit in seinem Blick in schwarze Gier verwandeln würde, in Machtgefühle, Blutdurst oder Zorn. Fast sah er seine eigenen Bilder darin, ein Schlachtfeld, ein Zepter, ein fallender Engel … Er zog die Brauen zusammen, als nur ein einzelnes, stilles Bild an die Oberfläche trieb. Langsam entfaltete es sich vor ihm, und es zeigte …
»Carmenya«, flüsterte Nando und wusste, dass er recht hatte, auch wenn das Kind auf diesem Bild noch klein war, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Langsam nur versank es in Hadros’ Augen und blieb als heller Funke weit hinter den Spiegeln zurück.
»Ich fiel«, raunte Hadros. »Ich fiel in die Dunkelheit, mehr noch: Ich stürzte mich selbst hinein. Es gab keine Wahl mehr für mich. Zu lange hatte ich mich ihr verweigert, zu lange hatte ich zurückgedrängt, wonach ich mich doch sehnte, zu lange war ich gefangen gewesen in der Kälte meines Lichts. Und so umfingen mich die Schatten. Sie zerrissen mich fast, denn ich kannte sie nicht mehr, und ich hatte nie gelernt, zwischen den Extremen zu stehen. Askramar tötete meine Gefährten, und ich konnte ihn nicht daran hindern. Ich lag am Boden zu seinen Füßen und war wie … «
Nando dachte
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