Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
an sich selbst, wie er auf dem steinernen Grund des Saals lag und vor lauter Furcht jede Bewegung vermied.
»… gelähmt«, beendete er den Satz des Engels, und dieser nickte, als hätte er damit gerechnet.
»Doch ich rettete mich«, fuhr Hadros fort. »Denn das, was mich zu Boden geworfen hatte, war nicht das Bild meiner Tochter gewesen. Lange, sehr lange habe ich das geglaubt, und auch Askramar zweifelte nicht daran. Er glaubte, meinen schwächsten Punkt erkannt zu haben, und so rief er mir auf dem Tiefpunkt meiner Niederlage zu: Und sie, Bastard des Lichts, hole ich mir zuerst! « Hadros schüttelte kaum merklich den Kopf. »Er ahnte nicht, was er damit in mir auslöste. Er begriff nicht meine wahre Macht … so wenig wie ich selbst. Und doch war sie es, die mich wieder auf die Beine zwang und die mir half, das Schwert in Askramars Brust zu treiben – die Liebe zu meiner Tochter, die mir diese Stärke verlieh. Damals begriff ich es nicht, aber heute weiß ich es sicher: Sie war es, die den Hexenmeister bezwang.«
Er fuhr sich an sein Herz, wieder verzog sich sein Gesicht schmerzerfüllt, und wieder wies er Nando ab, als dieser ihm zu trinken geben wollte. Eine Weile saßen sie schweigend.
»Lange Zeit«, flüsterte Hadros dann, »glaubte ich, dass ich Buße tun konnte für meinen Fall in die Schatten, indem ich mich der Bruderschaft anschloss und damit vollends dem Licht verschrieb. Und als du zu mir kamst mit diesem unerschütterlichen Willen, die Dunkelheit zu bezwingen, malte ich mir aus, dass ich Vergebung fände, wenn ich dich in der Lehre meines Volkes unterweise. Ich glaubte, dass du dem Schwert des Teufels niemals verfallen würdest, da du seine Macht in dir trägst und so die Möglichkeit hast, ihm zu begegnen. Ich glaubte, dass du es in Licht hüllen und beherrschen würdest.«
Nando stieß bitter die Luft aus. »Ihr habt Euch geirrt.«
»Ja«, entgegnete Hadros kaum hörbar. »Denn ich war ein Narr. Ich redete mir ein, Carmenya und ihre Mutter für edle Ziele verlassen zu haben, doch in Wahrheit bin ich vor ihnen geflohen. Ich habe mich aus Furcht vor der Dunkelheit für das Licht entschieden, und dennoch war gerade sie es, die mich am Leben erhielt, all die Jahre lang. Diese Liebe fühlte ich, als meine Tochter in meinem letzten Kampf ihr Leben für mich gegeben hätte – für mich, ihren Vater, der sie verraten hat.«
Sein Gesicht wurde so bleich, dass Nando sich vorsetzte. »Aber Ihr habt sie gerettet«, sagte er vorsichtig.
»So, wie du mich gerettet hast«, erwiderte Hadros ernst.
Doch Nando senkte den Blick. »Ich bin in die Schlacht gerannt wie ein Kind und habe alles verloren, selbst das Schwert. Noch sind die Schergen der Hölle gebannt, aber ich kenne den Zauber, der auf ihnen liegt. Eine winzige Berührung genügt, um sie zu erlösen. Wir haben keine Chance, Bhalvris jemals zurückzubekommen.«
Da packte Hadros seinen Arm so plötzlich, dass er erschrocken zusammenfuhr. »Hast du mir nicht zugehört, Narrenkind?« Zorn flammte in den Augen des Engels auf, nichts mehr zeugte von der Schwäche seines siechenden Körpers. »Ich habe das Licht gesehen, als du zu mir zurückgekehrt bist – das Licht in deinen Augen, das jedes Gold der Engel überstrahlt! Es war nicht die Lehre meines Volkes, die dich dazu trieb, mir zu folgen! Diese Lehre hätte dich im Saal der Mönche fliehen lassen, aber du bist geblieben und hast dich gegen die Übermacht der Hölle gestellt, ungeachtet jeder Konsequenz! Du hast auf dein Herz gehört. Das ist mehr als jede Heldentat, die ich jemals vollbracht habe!«
Für eine Winzigkeit schien Hadros zu zögern. Dann ließ er Nandos Arm los und ergriff seine Hand, eine Geste, die Nando nicht erwartet hätte. Für einen Moment sah er sie beide von außen: den Engel, das Kind, den Schüler, den Mentor, den Weisen, den Suchenden – und kurz wusste er nicht, wer von ihnen er war. Deutlich spürte er nun den Tod, der bereits die Klauen nach Hadros ausstreckte, und er umfasste die Hand des Engels stärker, als könnte er ihn so festhalten.
Hadros lächelte, traurig nun und sanft. »Ich war ein Narr, Nando«, sagte er. »Ich habe dich so vieles gelehrt, das du besser nie erfahren hättest, aber ich weiß, dass es jemanden in deinem Leben gab, dessen Weisheit und Voraussicht ich erst jetzt begreife … einen Engel, der diesen Namen verdiente. Ich habe das lange nicht erkannt, doch er lehrte dich die Wahrheit, und er sagte dir auch, wo du sie finden kannst. Erinnerst
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