Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Glut den Thron hinaufkroch. Atemlos schaute er zu Kymbra auf, die noch immer dasaß wie zuvor. Bhalvris hielt sie fest umklammert, doch etwas in ihrem Gesicht hatte sich verändert, und als sich nun das Blut des gefallenen Engels in ihren Augen sammelte, ging ein Funkeln hindurch, das auf der Stelle jede Illusion von Reinheit von ihren Zügen wischte. Sie umfasste Nando mit ihrem Blick, und als sie lächelte, gab es keinen Zweifel mehr: Vor ihm saß eine Göttin des Todes, und sie würde alles tun, um ihn noch in dieser Nacht in ihre Arme zu ziehen.
Funken sprühend sprengte sie das Eis von ihrem Körper, der Speer zerbrach, und im selben Augenblick erlosch der Bannzauber über den Dämonen. Brüllend kamen sie auf die Beine und ließen ihre Stimmen erschallen, donnernd und zügellos, als wäre tatsächlich noch Leben in ihnen und nicht bloß der kalte Wille der Hölle. Silas’ Schwert fügte ihnen tiefe Wunden zu, doch er konnte sie in ihrer schieren Masse nur mühsam abwehren und erhob sich in die Luft. Er durfte keine Zeit verlieren. Er musste Bhalvris zurückerlangen – sofort!
Kymbra hob die Arme. Sie lachte, als hätte sie seine Gedanken gehört, und entfachte blaues Totenfeuer in ihren Fäusten. Mit tief geneigtem Kopf sah sie zu Nando herüber, jeder Atemzug war ein Versprechen. Dann entließ sie ihren Zauber. Als gleißende Druckwelle schlug er den Kämpfenden entgegen, riss sie von den Füßen und warf sie ebenso wie Avartos und Noemi zurück, die Nando fast erreicht hatten. Rauschend bildete er einen Kreis aus blauen Flammen rings um den Thron und trieb alle Krieger aus seiner Mitte, als würden sie die Gewalt desjenigen nicht ertragen, der Kymbra diese Macht einst gegeben hatte. Nando fühlte den Sturm auf seinem Gesicht, und er hörte die Wüstenstimme Luzifers, als wäre es seine eigene. Entschlossen stemmte er sich gegen den Sturm. Er hielt diesem Feuer stand. Er trug es selbst in sich.
Langsam kam Kymbra auf ihn zu. Nando stand einfach da, sein glühendes Schwert in der Hand, und schaute ihr entgegen. Dort, wo Hadros’ Speer ihre Brust durchschlagen hatte, war ihre Haut durchscheinend wie Glas. Aber in ihren Augen spiegelte sich weder Schmerz noch Schwäche. Im Gegenteil: Triumph stand auf ihren Zügen, jetzt, da sie Bhalvris mit beiden Händen umfasste und lodernde Schatten in die Klinge schickte.
»Was willst du, Sohn der Hölle?«, fragte sie mit ihrer sanften Stimme. »Glaubst du wirklich, mich bezwingen zu können mit deiner armseligen Waffe?«
Ihr Blick glitt über Silas’ Schwert, und Nando drängte mit aller Macht den Zorn zurück, der in ihm aufstieg. »Meine Waffe liegt in deinen Händen«, gab er zurück. »Du hast sie mir gestohlen, und ich werde sie mir zurückholen, dessen sei gewiss. Aber dieses Schwert hier trägt größere Macht in sich als jede magische Waffe, und gerade weil du das nie begreifen wirst, ist es eine Gefahr für dich, Königin der Nacht.«
Sie ging vor ihm auf und ab wie ein Raubtier im Käfig. »Du machst es mir zu leicht«, erwiderte sie. »Ich wollte dich suchen, in dreckigen Höhlen, stickigen Gängen, in Dunkelheit und Licht … Die Jagd wäre ein Genuss gewesen, und du hast mich darum betrogen.«
Kurz meinte er, die Augen ihres Tigers in ihrem Blick aufglimmen zu sehen, und eine seltsame Kälte breitete sich in ihm aus, als er ihren Blick erwiderte. »Du irrst dich«, erwiderte er ruhig. »Die Jagd hat eben erst begonnen.«
So schnell, dass sie nicht zurückweichen konnte, preschte er vor. Er riss sein Schwert in die Höhe, für einen Moment sah er Silas vor sich, stolz und erhaben, und fühlte die Wärme der Freundschaft, die sie beide noch immer verband. Der Rubin glomm auf wie ein Ruf aus einer anderen Welt. Dann zersprang die Klinge in messerscharfe Scherben, und gerade als Kymbra ihnen auswich, stieß Nando ihr den zum Dolch gewandelten Waffengriff in die Schulter. Deutlich hörte er sie keuchen, ihr Atem ging stoßweise. Sie war noch schwach, entgegen allem Anschein hatte Hadros’ Zauber sie tief im Innersten verwundet. Nando wollte Bhalvris packen, doch im letzten Augenblick riss sie das Schwert in die Luft, und er griff in die Klinge. Sofort jagte der Zorn der Hölle durch sein Fleisch, aber er umfasste die Klinge nur noch stärker. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, doch er ließ nicht los.
»Bhalvris ist kein Schwert der Finsternis«, stieß er aus, und mit einem grollenden Zauber riss er die Schatten von der Klinge. Gleißend
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