Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
herum, die Heldenbilder jener, die diese Waffe einst getragen hatten. Sie waren so gleißend hell und rabenschwarz zugleich, dass Nando gestürzt wäre, hätte er sich nicht festgehalten. Und das tat er, hielt sich fest am Bild eines jungen Nephilim in der Rüstung der Ritter Bantoryns, am Lachen eines Bruders, eines Freundes, eines Gefährten, der in der Kälte einer grellen Nacht unter der Faust seiner Feinde fiel, ohne das Licht zu verlieren – das wahre Licht, das einzige, das jemals zählen würde. Nando hielt sich fest an Silas, und als er das Schwert in die Luft riss, traf er Luzifer an der Schulter, als wäre er wirklich da. Fast erschrocken sah der Teufel ihn an, doch Nando stieß einen Schrei aus, der seine Gestalt zerriss, und da stob das Feuer um ihn herum in seine Klinge und brannte dem Schwert sein Zeichen auf, das sich in flammenden Farben im Nachthimmel ergoss: Ein roter Drache war es, riesenhaft und majestätisch. Feuer loderte aus seinem Schlund, der Schweif peitschte über die Wipfel der Bäume und knisternde Flammen regneten auf Kar’tas Imnir nieder.
Atemlos sah Nando zu seinem Zeichen auf. Kaya huschte auf seine Schulter, er fühlte Noemi neben sich, ebenso wie Avartos, der dicht an ihn herangetreten war und mit fühlbarem Stolz zu dem Drachen hinaufschaute. Selbst die Mönche raunten ehrfürchtig. Erst als Nando Carmenyas Blick bemerkte, schaute er auf Bhalvris hinab. Auf der Klinge prangte in feinen Linien der Drache, der sich tief in die Waffe eingeprägt hatte. Doch da glomm Luzifers Gesicht in der Schneide auf, und Nando las das Versprechen, das in dessen Augen aufflammte.
Ich warte auf dich , flüsterte der Teufel kaum hörbar.
Nando nickte unmerklich. Du hast keine Wahl, erwiderte er dann, und mit einem Lächeln, das kalt war wie das eines Engels, holte sein Drache Atem und trieb Luzifer mit Feuerbrodem von der Klinge. Bhalvris war nicht länger ein Schwert der Hölle. Von nun an war es das Schwert Nandos.
Leise flackernd erhob sich das Portal, das die Mönche jenseits der Flammen errichteten. Nando wusste, dass es sie in die Brak’ Az’ghur führen würde – tief hinab in die Schattenwelt. Sein Blick schweifte zum Wald hinüber, nur noch vereinzelt lag der Rauch zwischen den Bäumen. Pherodos’ Zauber war erloschen. Es war an der Zeit aufzubrechen.
Wortlos zog Carmenya ihn in die Arme. Sie würde in Gedanken jeden seiner Schritte begleiten, daran zweifelte er nicht. Respektvoll verneigte er sich vor den Mönchen, und sie erwiderten die Geste in stiller Achtung. Dann schaute er hinauf zu den Sternen, zum Mond, als würde er sie zum letzten Mal ansehen, und als er auf das Portal zuging, überkam ihn ein Frösteln. Er suchte nach Worten, nach irgendetwas, das seine Anspannung vertreiben konnte, doch ehe er einen Ton über die Lippen bringen konnte, legte Kaya ihren Kopf an seine Schulter. Ihr Herzschlag klang in ihm wider, und als er zu Avartos und Noemi hinübersah, erwiderten sie seinen Blick. Nando holte tief Atem. Er brauchte keine Worte, um sich seinen Freunden zu erklären. Sie empfanden in diesem Augenblick dasselbe wie er – und sie waren dicht an seiner Seite. Gemeinsam begaben sie sich in die Schatten, und gemeinsam würden sie gegen sie kämpfen. Gerade wollte sich Zuversicht in ihm ausbreiten, als ein Geräusch die Nacht durchdrang. Sofort fuhr Avartos herum und zog seinen Bogen. Nando erstarrte, als er die Stimmen hörte, die nun durch die Bäume zu ihnen drangen.
Engel.
Sie waren so plötzlich da, dass keine Zeit mehr blieb zur unbemerkten Flucht. Schon brachen drei von ihnen auf die Lichtung, hoch zu Ross, in die Rüstungen der Garde gekleidet. Ihre Zauber zerrissen die Luft, blitzschnell wehrten die Mönche sie mit Carmenyas Hilfe ab, doch Nando bemerkte es kaum. Alles, was er sah, während er rücklings auf das Portal zutaumelte, war der Krieger, der ihnen am nächsten stand. Sein helles Haar wehte im Wind, sein Gesicht war eine offene Wunde, und er sah nicht ihn an – Nando, den Teufelssohn, dessen Zeichen hoch über den Wipfeln der Bäume niederfiel. Nein, der Weiße Krieger, der in dieser Nacht auf den Acker aus Asche gerufen worden war, betrachtete seinen Sohn.
Regungslos stand Avartos da, den Pfeil auf seinen Bogen gelegt, und ertrug das Entsetzen auf dem Gesicht seines Vaters, den Unglauben – und dann die Abscheu, mit der die Engel nur die niedersten Kreaturen betrachteten, Wesen, die weniger wert waren als alle Dämonen der Welt. Mit seinem Schwert
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