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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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der Leichen knisterte und verfaulte. Kymbra stand in ihrem langen Gewand gegen den Wind gelehnt, und Pherodos konnte ihr Blut riechen, das die faulige Luft dieses Ortes durchzog wie ein Schwertstreich. Ligur hingegen kauerte am Boden, beide Hände tief in die verwesten Leichen gegraben, und hielt die Augen geschlossen, während sich seine Zunge in schmatzender Wollust bewegte. Um sie herum gab es nichts als Berge von Leichen, die sich an den Rändern der Höhle in trübem Zwielicht verloren, und den Wind. Er umhüllte sie alle, leckte über die tiefen Schnitte in ihrem Fleisch und zog das Gift aus ihren Leibern, und Pherodos hörte ihm zu, als könnte das ewige Wispern die Glut hinter seiner Stirn beruhigen. Leise verband der Wind seine Verletzungen mit Nähten aus geronnenem Blut und ließ ihn mit jedem Stich die letzten Herztöne jener hören, deren Zorn sich nun in ihm versenkte.
    Verflucht seist du , raunte er und spürte, dass in diesem Moment nicht nur er es war, der diese Worte in seinen Gedanken formte. Auch Kymbras Stimme flüsterte sie, und er hörte den schattenhaften Sturm Raars ebenso wie das tückische Lachen von Ligur, als er fortfuhr. Verflucht seist du, Drengur Aphion Herkron, einst Hoher General der Spiegelstadt, Erbe des Schwarzen Feuers und der Glut des Ophaistos. Ein Kind des Pan bist du gewesen, ein Dämon des Neunten Kreises und Diener der Ersten Legion. Ausgerechnet du hast den Höchsten Fürsten verraten und unser aller Schicksal besiegelt. Und jetzt trittst du uns in den Weg. Pherodos sah zu, wie der letzte Schnitt an seinem Arm sich mit dunklen Stichen verschloss. Warte nur, Narr von einem Dämon . Die Stunde wird kommen, da wir uns wiedersehen, und dann wirst du für mehr bezahlen als für den Verrat an deinem Herrn.
    Er hob den Blick. Im selben Moment wandte Kymbra sich um, Ligurs Mund verstummte, und Raar ließ seinen Schatten schweigen. Der Wind hatte sie geheilt, und nun glitt er über sie hin, dieser ewige Sturm, den selbst Geschöpfe wie sie niemals ganz begreifen würden. Er war schon immer da gewesen, dieser Geist auf der Schwelle, den die Kinder der Menschen unter ihren Betten ahnten und die Erwachsenen in den eigenen Gedanken, diesen Hauch, der darüber entschied, was böse war und was gut und der beides vernichten konnte mit nicht mehr als einem Flüstern. Er hatte sie an diesen Ort geführt, und er würde entscheiden, wer von ihnen den Zorn rufen würde – den Zorn, der diesen Hängen ihren Namen gab.
    Kaum dass Pherodos die Hand ausstreckte und das Blut des Teufelssohns über seine Finger befahl, taten die anderen es ihm gleich. Auch sie hielten das Blut des Nephilim in ihren Händen und sahen einander in die Augen, als wäre ihr gesamter übriger Leib zu Eis erstarrt. Pherodos hörte die Schreie der Kinder überdeutlich in sich widerhallen. Ja, er würde Rache üben an Drengur, dem Abtrünnigen – und doch war da mehr, viel mehr, das ihn vorwärtstrieb. Ein Gesicht tauchte vor ihm auf, das lächerliche, störrische Gesicht eines halben Kindes. Er spürte die Glut seines Zorns so übermächtig durch seine Adern rasen, dass er sich kaum länger zurückhalten konnte. Er wollte die Finger in diese Erde graben, wollte die Macht dieses Ortes rufen und ihn zu sich befehlen – ihn, den verfluchten Sohn des Teufels, der es gewagt hatte, sich ihm zu widersetzen!
    Mit scharfen Krallen glitt der Wind seinen Rücken hinab, ein Schauer durchlief ihn, schmerzhaft und lustvoll zugleich, und noch ehe er begriff, was geschah, umfing der Wind das Blut in seiner Hand und vereinte es zusammen mit dem Blut der anderen über Ligurs Fingern zu einer glühenden Flamme. Krachend durchschlug sie dessen Brust, doch die Wunde schloss sich sofort wieder. Regungslos saß Ligur da, und erst als der Wind verstummte, öffnete er die Augen.
    Rot waren sie geworden wie das Blut in dem Feuer, das der Wind in ihn hineingetragen hatte, und Ligurs Lächeln stob als Kältehauch über den Hügel. Er grub die Klauen tief in die Leichenreste, und als er sich langsam aufrichtete, überzogen sich die Skelette der Toten mit glänzendem Blut und Fleisch und Haut. Pherodos hörte das Knirschen der Kiefer, als sie die Mäuler aufsperrten, und da ertönten Schreie, so ohrenbetäubend laut, dass der Boden unter ihnen erbebte. Halb zerfetzte Körper richteten sich auf und streckten die Arme nach ihm aus, als könnte er sie von ihrem Leid erlösen.
    Der Blutgeruch tränkte die Luft, Pherodos schmeckte ihn auf den Lippen, doch

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