Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
sie.«
»Ja, weil ihr ganzes Leben nur aus Mord und Todschlag besteht!«
»Ist das so?«, fragte Faeron ernst. »Ist dir heute noch überhaupt nichts aufgefallen?«
»Was meinst du?«, meinte Khalldeg.
»Die Felder«, antwortete Faeron ruhig. »Die Orks haben sie abgeerntet und gepflügt. Sie haben die Stadt auch nicht zerstört, sondern sich vielmehr in ihr niedergelassen und sich auf den Winter vorbereitet.«
Tharador überlegte kurz und musste dann Faeron zustimmen. Er hatte während des Tages nicht darauf geachtet, aber wenn er sich das Bild der Felder wieder vor Augen rief, erkannte er deutlich, dass Faeron mit seiner Einschätzung richtig lag.
»Also schön«, brummte Khalldeg, »angenommen, die Orks sind wirklich ein friedfertigeres Volk als gedacht – was schlägst du dann vor, Elf?«
»Ich weiß es nicht«, gab Faeron zu. »Es gibt zu viele Möglichkeiten. Was, wenn Xandor sie ebenso manipuliert hat wie Dergeron? Er konnte diesen einstmals edlen Krieger in ein wahnsinniges Monster verwandeln. Was kann er dann erst bei Orks bewirken? Sie mögen vielleicht im Grunde keine bösen Absichten haben, doch Orks waren schon immer bereit, ihre Stärke im Kampf zu messen. Ihre Wildheit wird mit Sicherheit nur durch die Barbaren des Nordens und die Trolle übertroffen. Was, wenn Xandor ihnen einen ruhmreichen Kampf versprochen hat? Ich weiß es nicht.«
»Nun«, überlegte Tharador, »die Orks werden nicht zögern, uns zu töten, also sollten wir es auch nicht. Allerdings sollten wir auch versuchen, keinen Kampf mit ihnen zu provozieren.«
Calissa war bei den bevorstehenden Ereignissen nicht ganz wohl zu Mute, aber sie würde jetzt nicht wieder umkehren.
Durch die Kanäle
Dergerons Blick schweifte über den Hof der Kaserne, und zum ersten Mal seit langem formten seine Lippen ein zufriedenes Lächeln. Es war sein erster Tag als Kommandant der Garde in Totenfels, und er fühlte sich, als wäre er am Ende einer langen Reise angelangt.
Er hatte es geschafft: Endlich sein eigenes Kommando. Doch anders als Tharador würde er seine neue Position nicht einfach so aufgeben. Er würde sie zu seinem Vorteil nutzen, und er wusste auch schon wie.
Seine Untergebenen hatten allesamt großes Potenzial, sie brauchten nur jemanden, der sie zur Höchstform auflaufen ließ. Diese Rolle würde Dergeron nur zu gerne übernehmen.
Der Krieger wusste nicht, ob er noch unter dem Einfluss von Xandors Zauber stand, doch er fühlte sich frei und unbeschwert. Auf gewisse Weise war der Druck von ihm gewichen. Der Druck, das Buch zu finden, Tharador zu töten, all das war von ihm abgefallen.
Obgleich der Krieger wusste, dass er tief in seinem Inneren noch auf seine Rache an Tharador hoffte, konnte er diesen Gedanken unterdrücken. Endlich konnte er voll von Xandors Zauber profitieren, der neben den geistigen Veränderungen auch seine körperlichen Fähigkeiten enorm gesteigert hatte. Dergeron war schon zuvor ein überaus talentierter Kämpfer gewesen, doch seine letzten und größten Fortschritte verdankte er dem alten Magier.
Er verspürte auch keinen Groll gegen Xandor. Im Gegenteil, er war dem alten Mann dankbar für dieses Geschenk.
Er, Dergeron Karolus, stand heute hier und bildete junge Soldaten im Kampf aus. Er würde seine Männer zu den Besten in Kanduras machen, und sein Name würde über alle Grenzen hinaus berühmt werden.
Er nickte zufrieden und ging dann durch die Reihen der Soldaten, um ihnen bei ihren Übungskämpfen zu helfen.
* * *
Mit den ersten Strahlen kalten Mondlichts schlichen sie sich an die Stadtmauer heran.
Der Eingang musste sich hier irgendwo befinden.
Tharador hielt immer wieder kurz inne und lauschte in die Nacht, jedes Mal darauf wartend, die Stimme eines Orks zu hören, der Alarm schlug.
Doch das Rauschen der Blätter war alles, was er hörte. Sie kamen unbemerkt voran und hatten nur wenige Augenblicke später schon den Eingang des Kanalsystems erreicht, der Tharador am geeignetsten erschien, zumal dieser auch nicht bewacht wurde.
»Und wie willst du da nun reinkommen?«, fragte Khalldeg murrend und deutete auf die armdicken Eisenstangen, die fest in der Wand verankert waren und ein enges Gitter formten, durch das sich nicht einmal Calissa hätte durchzwängen können. Khalldeg rüttelte so kräftig an den schweren Stangen, wie es möglich war, ohne dabei zu viel Lärm zu machen, doch sie gaben keinen Fingerbreit nach. »Die sitzen mindestens einen Fuß weit in der Mauer«, gab er sein
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