Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
vielleicht schon in der nächsten Querstraße – und er würde es nicht einmal bemerken. Die Vorstellung ließ ihn sich hastig umblicken, und seine Hand schloss sich fest um den Griff des Kurzschwerts. Als ihm klar wurde, wie seine Haltung auf die Menschen um ihn wirken musste, zwang er sich wieder zur Ruhe.
Sein Blick fiel auf ein Herbergsschild, und kurze Zeit später saß Dergeron in einem kleinen, nur mit dem Nötigsten ausgestatteten Zimmer. Dennoch fühlte er sich wohl darin. Die Kargheit des Raumes erlaubte seinem Geist, konzentriert zu arbeiten. Der Krieger fürchtete bereits jetzt ein mögliches Scheitern – das Land nördlich der Todfelsen war riesig; wie sollte er Tharador hier jemals ohne Hilfe finden?
Dergeron erlaubte sich ein dünnes Lächeln, als ihm klar wurde, dass sich die Lösung des Problems in der Frage selbst verbarg. Die Geschichte des Deserteurs hatte bei den Bauern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es gab keinen Grund, weshalb dies nicht erneut funktionieren sollte.
Er würde sich als Gesandter aus Surdan ausgeben. Die Wintermonde standen kurz bevor, keine Handelskarawane würde noch in den Süden ziehen. Bis man hier oben erfuhr, dass Surdan im Krieg gefallen war, würde es noch mehrere Mondumläufe dauern. Er würde um eine Audienz bei Graf Totenfels bitten und ihm dieselbe Geschichte erzählen wie Bauer Roglund. Der Graf mochte ein mächtigerer Mann sein als der schlichte Bauer, dennoch glaubte Dergeron keinen Augenblick, dass er seine Lüge durchschauen könnte.
Später am Abend saß er im warmen Schankraum abseits in einer Ecke mit dem Rücken zur Wand, sodass er den gesamten Raum überblicken konnte, und lauschte den Gesprächen der übrigen Gäste, so gut es ging. Dergeron wusste, dass der Norden in viele kleine Staaten zersplittert war, die vom Adel und von Königen regiert wurden. Im Süden war die Besiedelung etwas weniger dicht, und man sprach nur von Städten, nicht von Ländern. Außerdem wurden diese Städte meist von einem Rat aus Gelehrten und erfahrenen Soldaten geführt. Von Männern und Frauen, die sich in Schlachten und Krisen bewährt hatten, nicht wie hier, wo man das Schicksal eines ganzen Landes in die Hände eines Menschen legte, nur weil er einer bestimmten Familie entstammte.
Aus den abfälligen Bemerkungen der Menschen in Totenfels über Menschen von außerhalb vermutete Dergeron, dass die einzelnen Staaten des Öfteren zu den Waffen griffen, um ihre Grenzen neu zu ziehen. Mehrere alte, teils zertrümmerte Grenzsteine, die er auf dem Weg nach Totenfels gesehen hatte, untermauerten seine Vermutung.
Dies würde seine Aufgabe allerdings zusätzlich erschweren. Weder konnte er darauf vertrauen, dass sich seine Geschichte über den Geächteten schnell genug in den nördlichen Landen verbreiten würde, noch darauf, dass er nicht in irgendwelche Grenzstreitigkeiten geriet und plötzlich an den Fronten festsaß.
Er nippte an seinem Bier. Es war schal und warm, doch er hatte ohnehin nicht vor, sich zu betrinken. Er wollte lediglich den Anschein eines gewöhnlichen Gastes wahren.
Eins nach dem anderen , dachte er bei sich. Zuerst brauchte er eine Audienz bei Graf Totenfels, den er gewiss rasch überzeugt haben würde, der nächste Schritt würde sich dann schon ergeben.
* * *
An diesem Abend saß Tharador noch lange, nachdem die anderen schon zu Bett gegangen waren, mit Faeron auf der kleinen Lichtung.
Er mochte diesen Platz und verbrachte hier viel Zeit.
Die Sonne schien tagsüber auf die Wiese, und doch fand er immer ein schattiges Plätzchen, wenn er sich ausruhen wollte. Er schlief kaum noch in seiner Hütte, denn seit Gordan ihm die Geschichte seines Vaters offenbart hatte, suchte er den Blick zu den Sternen. In ihnen fand er Trost, wann immer die Erinnerung an Queldans Tod zu deutlich aufflammte.
Nachdem sie eine Weile einfach so dagesessen hatten, drehte er den Kopf und musterte den Elfen lange. Er konnte sie deutlich spüren, die Ruhe und die Weisheit, die von Faeron ausgingen. Der Elf saß reglos da, wirkte dabei fast wie ein Gewächs, so eins schien er mit seiner Umgebung.
Das stellte wohl einen der größten Unterschiede zwischen Menschen und Elfen dar, dachte Tharador. Menschen lebten nie völlig im Einklang mit sich selbst und der Natur; diese Wesen hingegen sehr wohl. Auch wenn er bislang nur Faeron kennen gelernt hatte, so war er sich doch sicher, dass der Rest dieses scheuen Volks genauso weise und unbegreiflich war wie er. Faeron
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