Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
strahlte eine Erhabenheit aus, die alles in den Schatten stellte, was er bis dahin erlebt hatte.
»Was ist, junger Paladin?« fragte der Elf plötzlich.
»Nichts. Ich versuche nur immer noch zu verstehen.«
»Verstehen? Was denn?«
»Dich. Dein Wesen. Dein Volk.«
Faeron lachte kurz und meinte dann freundlich: »Du versuchst, etwas zu begreifen, das sich dir nicht offenbart. Das ist dein Problem, das Problem eurer Art. Akzeptiere es einfach, und du wirst es erkennen.«
»Wie meinst du das?«
»Ihr Menschen macht immer denselben Fehler. Ihr seht etwas und versucht sofort, es zu verstehen, es zu erklären.«
»Was ist so falsch daran?«, fragte Tharador offen heraus.
»Ihr könnt uns Elfen niemals verstehen. Siehst du, ihr lebt einfach nicht lange genug, um jemals erfassen zu können, was in uns vorgeht oder was unsere Beweggründe sind«, erklärte Faeron. »Schau mich an. Ich lebe nun schon ein halbes Jahrtausend, und doch sieht man es mir nicht an. Nur in meinen Augen kannst du es sehen. In ihnen widerspiegeln sich viele Erlebnisse, Abenteuer und noch mehr Erfahrungen. Und wofür das alles?
Ein Elf strebt nach Wissen und dem Gleichklang der Seele mit der Natur. Weise mag ich sein, doch meine Seele findet keine Ruhe. Nur manchmal für kurze Zeit, beim Schattentanz. Sobald ich aufhöre, kehrt die innere Unruhe sofort wieder. Du kannst kein Volk verstehen, dessen Kinder älter werden als viele eurer Generationen zusammen.
Und nun bedenke Folgendes: Ich besitze all mein Wissen nicht deshalb, weil ich zwanghaft danach suchte. Nein, es kam zu mir. Ihr müsst danach suchen, denn eure Lebensspanne ist zu kurz, als dass ihr warten könntet. Das ist der Grund, warum ihr uns niemals verstehen werdet.«
Tharador dachte lange über die Worte des Elfen nach. Faeron hatte Recht. Es war vermessen von ihm gewesen zu versuchen, das Wesen des Elfenvolks zu verstehen, zumal er gerade erst ein paar Tage hier weilte. Er blickte Faeron von der Seite in die Augen und glaubte, etwas in ihnen zu erkennen. Diesmal war es nicht die Weisheit oder etwas Rätselhaftes ... Nein, es schien, als wäre der Elf traurig.
Tharador wusste zwar nicht, weshalb, glaubte jedoch, es zu ahnen. Wenn man fünfhundert Jahre auf Erden wandelte, hatte man viel erlebt, vor allem aber hatte man viele sterben sehen, die einem lieb und teuer gewesen waren. Wahrscheinlich lebten die Elfen deshalb so zurückgezogen. Es war sicher nicht leicht zu ertragen, wenn Freunde, die man außerhalb des eigenen Volkes fand, lange vor einem selbst aus dem Leben scheiden mussten. Tharador vermutete, dass daher die tiefe Melancholie des Elfen rührte. Faeron musste schon viele Freunde verloren haben. In diesen unzähligen Jahren hatte er mit Sicherheit nicht nur Schönes, sondern auch sehr viel Schreckliches gesehen, vielleicht mehr, als solch ein feinfühliges Wesen zu ertragen im Stande war.
Tharador brannten noch so viele Fragen über seinen Vater auf den Lippen, doch er behielt sie vorerst für sich und entspannte sich, indem er die Sterne betrachtete.
Unvermittelt sah ihm Faeron in die Augen. »Du hast doch noch mehr Fragen.«
»Ja, über meinen Vater. Aber ich will keine schlechten Erinnerungen in dir wachrufen«, erwiderte Tharador mitfühlend.
»Throndimar war mein Freund. Wieso sollten Erinnerungen an ihn schlecht sein?«
»Ich stelle es mir einfach schmerzhaft vor, über Freunde zu sprechen, die diese Welt bereits verlassen haben.«
»Es gibt meistens gute und schlechte Seiten einer Erinnerung. Es kommt nur darauf an, welche man sich lieber vor Augen führt. Dein Vater wurde von den Göttern belohnt. Und zu wissen, dass er dort oben weilt und über uns wacht, ist ein schönes Gefühl. Also mach dir keine Gedanken über die Erinnerungen eines Elfen, der des Lebens müde geworden ist«, erklärte Faeron.
»Wie war mein Vater? Es quält mich, dass ich ihm niemals begegnet bin«, gestand Tharador.
»Throndimar war einzigartig. Es gab niemanden, der mehr Mut oder Entschlossenheit an den Tag legte als er. Damals waren die Zeiten finsterer, und das Land war rauer als heute. Überall hausten Goblins, und die Menschen hier im Norden waren zerstritten. Throndimar brachte den Menschen damals die Einigkeit. Er vertrieb die Goblins und machte den Norden zu einem sicheren Ort. Doch als er verschwand, hielten wieder die alten Streitigkeiten Einzug.
Throndimar war nicht nur mutig, er kannte auch Mitgefühl. Er wusste genau, wen er verschonen konnte und wen er töten
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