Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
doch der bewusstlose Krieger konnte nicht selbständig schlucken, sämtliche Versuche scheiterten.
Er starrte einige Zeit fassungslos auf den leblosen Körper, bis er einer plötzlichen Eingebung folgend den Rest des Inhalts vorsichtig in die Wunde träufelte.
Er flehte innerlich zu Alirion, dass es funktionieren möge.
Alle starrten wie versteinert auf die Verletzung.
»Gute Idee, Elf!«, meinte Khalldeg. »Es scheint, du hast die richtige Entscheidung getroffen.«
Die klaffende Wunde begann, sich zu schließen, und schon wenige Augenblicke später war sie komplett verheilt, nur eine kleine Narbe zeugte davon, dass es sie jemals gegeben hatte.
Cordovan begann, wieder regelmäßig und tief zu atmen.
Der Elf hatte es nicht für möglich gehalten, dass seine verzweifelte Tat den Krieger retten würde, doch es schien, als würde Cordovan überleben. Faeron dankte im Stillen den Göttern für ihren Beistand. Cordovan war zwar noch bewusstlos, doch er war am Leben. König Jorgan würde vielleicht nicht einmal etwas von dem Kampf erfahren müssen. Doch Faeron war sicher, dass Cordovan seine Ehre wieder herstellen wollte, und dazu gehörte eben auch, dass er die Strafe annehmen würde, die sein König für ihn bereithielte.
Wahrscheinlich würde man sie ebenfalls bestrafen, denn sie hatten ihr Versprechen gebrochen. Aber daran wollte der Elf in diesem Moment nicht denken.
»Bringen wir ihn auf unser Zimmer«, hörte er auf einmal Khalldegs Stimme. »Der Trank scheint zu wirken, aber er braucht trotzdem Ruhe.«
»Die können wir alle gebrauchen«, fügte Faeron hinzu.
Sie trugen Cordovan auf ihr Zimmer und legten ihn in Tharadors Bett. Dann setzten sie sich alle um den kleinen Tisch, und es legte sich wieder bedrückendes Schweigen über sie.
Sie waren alle wie gelähmt.
Tharador am meisten. Er konnte noch immer kaum fassen, was geschehen war. Er war sich auch gar nicht sicher, ob er das jemals begreifen könnte. Aber er spürte etwas in sich. Es war noch ein kleiner Rest dieses gewaltigen Gefühlsausbruchs in ihm.
War es das? War dies das Geheimnis eines Paladins? Diese plötzliche und unbändige Kraft?
Tharador hatte sie deutlich gespürt. Sie war einfach über ihn gekommen. Sein gesamter Zorn und seine vollkommene Verzweiflung. Die Erinnerung an Queldan, an Dergerons Bluttat.
All dies war wieder über ihn hereingebrochen und hatte dieses Inferno in seiner Seele entfacht.
Er fragte sich, ob er jemals lernen könnte, es zu beherrschen.
Tharador starrte wie die anderen im Raum auf einen Punkt weit in der Ferne und wartete.
Wie üblich erlangte Khalldeg als erster die Fassung zurück. »Also, jetzt wissen wir wenigstens, was in dir steckt, Junge.«
Tharador blickte ihm kurz in die freundlichen Augen, doch er konnte dem Zwerg einfach nicht zustimmen.
»Wir wissen auch, dass er jetzt eigentlich tot wäre«, sagte Faeron ernst, und alle blickten verwundert zu ihm. »Dergeron kämpfte mit einer sehr viel unhandlicheren und schwereren Waffe als Tharador und war trotzdem nicht einen Wimpernschlag langsamer. Selbst mit der geringeren Reichweite hätten deine Schläge seine Verteidigung überwinden müssen. Ein Zufall hat dir heute das Leben gerettet.«
»Sei nicht zu hart mit ihm, Elf«, nahm Khalldeg den Paladin in Schutz. »Er hat doch gerade erst angefangen zu lernen. Du musst ihm eben noch mehr beibringen«, fügte er mit einem schelmischen Grinsen hinzu.
»Nein!«, sagte Tharador bestimmt. »Faeron hat Recht. Ich habe es selbst während des Kampfes gespürt. Dergeron war mir überlegen. Allerdings rührte das zum Teil daher, dass er mit unehrenhaften Mitteln gekämpft hat, doch ändert es nichts daran, dass er der Bessere war.«
Calissa hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Sie konnte ohnehin nichts Wichtiges zu diesem Gespräch beitragen, also versuchte sie, soviel wie möglich über diese merkwürdige Gruppe zu erfahren und ganz besonders über Tharador.
Er war so anders als Dergeron.
Mächtige Kämpfer waren sie beide, doch er war ein ganz anderer Mensch, fast das genaue Gegenteil. Wo Dergeron von Hass und Wahnsinn zerfressen war, da sah sie bei Tharador Mitgefühl und einen klaren Blick. Der Paladin war sich seiner Grenzen bewusst und vor allem seiner Verpflichtungen.
Tharador ließ andere in sein Innerstes blicken, und man konnte sehen, dass sich dort nichts Schlechtes befand. Dergeron verschloss sich vor allem und jedem, ständig am Rande der Verzweiflung.
In Tharador sah sie keine Verzweiflung.
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